Eine ernsthafte ärztliche Beratung zur Erstellung einer Patientenverfügung ist wünschenswert und erfolgt wohl auch in vielen Fällen. Die Kosten einer ärztlichen Beratung über Krankheitsbilder, Möglichkeiten ihrer medizinischen Behandlung und Folgen des Abbruchs oder die Nichtvornahme von Behandlungsmaßnahmen sollten demzufolge nach einem Entwurf einer Bestimmung zum Krankenversicherungsrecht aus dem Jahr 2009 ersetzt werden.
Der Entwurf von § 24 c SGB V sah vor (vgl. Bundestags-Drucksachen 16/13314, Seite 16 f. vom 27. Mai 2009):
- Versicherte haben zur Erstellung einer Patientenverfügung Anspruch auf eine ärztliche Beratung über Krankheitsbilder, Möglichkeiten ihrer medizinischen Behandlung und Folgen des Abbruchs oder der Nichtvornahme von Behandlungsmaßnahmen.
Der Entwurf einer Kostenregelung im Krankenversicherungsrecht sollte Kosten der ärztlichen Beratung zwischen 40 und 240 Euro decken. Der Entwurf trat leider nicht in kraft. Patienten müssen also ggf. entstehende Kosten der ärztlichen Beratung zur Erstellung einer Patientenverfügung selbst tragen. Die Klärung medizinischer Fragen zur Patientenverfügung und in der Folge eine Ausformulierung durch den Patienten werden so nicht erleichtert. Die nach der Rechtsprechung geforderte Konkretisierung der Patientenverfügung auf den Einzelfall mit möglichst bestimmten Behandlungsituationen und konkreten Handlungsanweisungen dürfte darunter leiden.
Regelungen zu einer ärztlichen Beratung im Krankenversicherungsrecht im Zusammenhang mit Themen einer Patientenverfügung wurden 2009 in §§ 132 g, 39 b und 87 SGB V geschaffen. Diese Bestimmungen enthalten Kostenregelungen zu einer „Versorgungsplanung“, „Informationen über die Möglichkeiten einer persönlichen Vorsorge“ und „Vereinbarungen zur Palliativversorgung“. Das Instrument der Patientenverfügung mit dem Konzept der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten hätte allerdings mit der Kostenregelung des ursprünglich geplanten Entwurfs von § 24 c SGB V weiter gestärkt werden können.
1. Fallbesprechung, § 132 g SGB V
§ 132 g SGB V – Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase
(1) Zugelassene Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen können den Versicherten in den Einrichtungen eine gesundheitliche Versorgungsplanung …
…
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 132 g SGB V sieht für zugelassene Pflegeeinrichtungen der Eingliederungshilfe im Sinne des SGB XII die Möglichkeit einer Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase im Rahmen einer Fallbesprechung durch die Einrichtung vor.
In die Fallbesprechung ist der den Versicherten behandelnde Hausarzt oder sonstige Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung einzubeziehen, § 132 g SGB V – Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase
(1) …
(2) In die Fallbesprechung ist der den Versicherten behandelnde Hausarzt oder sonstige Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 Absatz 1 Satz 1 einzubeziehen. …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 132 g Abs. 2 S. 1 SGB V. Angehörige und weitere Vertrauenspersonen sind auf Wunsch zu betteiligen, § 132 g SGB V – Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase
(1) …
(2) … Auf Wunsch des Versicherten sind Angehörige und weitere Vertrauenspersonen zu beteiligen. …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 132 g Abs. 2 S. 2 SGB V.
2. Information der Krankenkasse, § 39 b SGB V
§ 39 b SGB V – Hospiz- und Palliativberatung durch die Krankenkassen…
(1)…
(2) Die Krankenkasse informiert ihre Versicherten in allgemeiner Form über die Möglichkeiten persönlicher Vorsorge für die letzte Lebensphase, insbesondere zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 39 b Abs. 2 SGB V regelt Informationen durch die Krankenkasse über die Möglichkeiten persönlicher Vorsorge.
Die Krankenkasse informiert ihre Versicherten in allgemeiner Form über die Möglichkeiten persönlicher Vorsorge für die letzte Lebensphase, insbesondere zu Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung, § 39 b Abs. 2 S. 1 SGB V.
3. Vereinbarung zur palliativ-medizinischen Versorgung, § 87 Abs. 1 b SGB V
§ 87 SGB V – Bundesmantelvertrag, einheitlicher Bewertungsmaßstab, bundeseinheitliche Orientierungswerte
…
(1b) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Bundesmantelvertrag erstmals bis spätestens zum 30. Juni 2016 die Voraussetzungen für eine besonders qualifizierte und koordinierte palliativ-medizinische Versorgung. …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 87 Abs. 1 b SGB V sah schließlich eine Vereinbarung zu einer palliativ-medizinischen Versorgung von schwerstkranken und sterbenden Menschen vor, die bis spätestens zum 30. Juni 2016 vereinbart werden sollte. Die entsprechende Vereinbarung erfolgte am 29. November 2016 in der Vereinbarung zur besonders qualifizierten und koordinierten palliativ-medizinischen Versorgung und regelt u. a. in § 2 Abs. 4 die Ermittlung des Willens bzw. des mutmaßlichen Willens im Hinblick auf Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung:
- …
- (4) Für die Behandlung ist im besonderen Maße die individuelle Situation des Palliativpatienten zu berücksichtigen. Die Ermittlung des Willens bzw. des mutmaßlichen Willens des Palliativpatienten ist dabei unbedingt erforderlich. Dabei sind die Grundsätze und Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zur Sterbebegleitung und zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zu beachten.
- …
Ob der Wille des Patienten zutreffend berücksichtigt wird, dürfte allerdings in vielen Fällen durchaus fraglich sein. Oft wird z. B. bei der Frage nach der Einleitung lebenserhaltender Maßnahmen eine PEG-Sonde durch Einrichtungen angeregt und in der Folge auch nach Zustimmung durchaus wohlmeinender – aber überforderter – Bevollmächtigter angelegt. In vielen Fällen dürfte durchaus fraglich sein, ob diese Maßnahme auch dem wahren Willen des betroffenen Patienten entspricht. Möglicherweise könnte das Auseinanderklaffen des Willens mit dem tatsächlichen Geschehen durch eine ernsthafte ärztliche Beratung und Erstellung einer sorgfältig durchdachten Patientenverfügung vermieden werden.
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