Auch eine obsiegende Behörde kann ausnahmsweise verpflichtet sein, die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen. Dies gilt insbesondere, wenn sie durch ein eigenes Fehlverhalten – etwa eine unrichtige oder irreführende Begründung – Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Die Entscheidung über die Kostentragung erfolgt gemäß 193 SGG nach billigem Ermessen.
1. Grundsatz der Kostentragung
Nach § 193 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kostentragung.
Grundsätzlich trägt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens.
In besonderen Fällen kann das Gericht jedoch auch der obsiegenden Behörde die Kosten ganz oder teilweise auferlegen, wenn deren Verhalten die Klage provoziert hat.
Eine Kostentragungspflicht der Behörde ist möglich, wenn diese durch eine unrichtige Begründung, eine unvollständige Auskunft oder unrichtige Beratung Anlass zur Klage gegeben hat.
2. Fehlerhafte oder irreführende Begründung
Das Bundessozialgericht hat in mehreren Urteilen betont, dass auch eine obsiegende Behörde kostenpflichtig sein kann, wenn sie durch eine unrichtige oder irreführende Begründung die Klage veranlasst hat.
So führt das BSG aus (BSG, 18. Juli 1989 – 10 RKg 42/88):
Ausnahmsweise kann das Gericht auch einem obsiegenden Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Prozessgegners auferlegen, wenn die Behörde durch eine unrichtige Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat.
Diese Rechtsprechung wurde ausdrücklich bestätigt (BSG, 30. August 2001 – B 4 RA 87/00):
Obwohl die Beklagte in allen Instanzen obsiegt hat, war ihr die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
Grund: unvollständige und irreführende Begründung des Verwaltungsakts, die eine rechtzeitige Prüfung durch die Klägerin verhinderte.
3. Falsche oder unterlassene Beratung
Auch eine unrichtige oder unterlassene Beratung kann eine Kostentragungspflicht der Behörde begründen.
Dies ergibt sich aus einem Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg (LSG Berlin-Brandenburg, 26. Januar 2006 – L 14 B 1397/05 AS ER):
Die Behörde verletzte ihre Pflicht, die Antragstellerin auf die Möglichkeit der Abtretung ihrer Ansprüche hinzuweisen.
Sie hatte dadurch Anlass zur Klageerhebung gegeben. Es entsprach billigem Ermessen, der Behörde die Hälfte der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Die Kostentragungspflicht kann auch dann bestehen, wenn der Bescheid formell rechtmäßig, aber inhaltlich fehlerhaft oder missverständlich ist. Entscheidend ist, ob die Behörde durch ihr Verhalten den Rechtsstreit veranlasst hat.
4. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Kostenentscheidungen, Widerspruch und Rechtsanwaltsgebühren:



cityman says
Ich hatte mit dieser Argumentation und unter Hinweis auf die erstgenannte Rechtsprechung im SG-Verfahren eine Kostentragung der beklagten Behörde beantragt. Das SG hat jedoch beschlossen, dass keine Kosten zu erstatten sind. Ist nun eine separate Geltendmachung meiner Kosten bei der Behörde zu empfehlen (mit ggfs. anschließenden neuen SG-Verfahren)?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Cityman,
gegenüber dem Beschluss (?) oder Urteil (?) des SG können Sie ggf. Beschwerde oder Berufung einlegen. Hierzu ist dann allerdings bei einem Urteil zu beachten, dass der Beschwerdewert erreicht wird. Eine separate Geltendmachung bei der Behörde dürfte nach meiner Einschätzung keinen Sinn machen.
Grüße
Sönke Nippel
Claimant says
Können diese Rechtsentscheidungen auch angewandt werden, wenn die Behörde bereits im Antragsverfahren eine unrichtige , unvollständige oder nicht rechtliche Begründung abgegeben und somit einen Widerspruch begünstigt hat? Wäre in diesem Fall zunächst ein außergerichtlicher Kostenerstattungsantrag zu empfehlen, gegen den im Ablehnungsfalle zu klagen wäre?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Claimont,
im Antragsverfahren entstandene Kosten werden grundsätzlich nicht ersetzt.
Für das Widerspruchsverfahren enthält § 63 SGB X die entsprechenden Regelungen. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB XII spricht von einem „erfolgreichen“ Widerspruch. § 63 SGB X weicht von § 193 SGG also stark ab.
Ich würde es zwar sehr begrüßen, wenn auch die Kosten der Vertretung nach § 63 SGB X ersetzt werden, wenn der Widerspruch durch die Behörde „provoziert“ wurde. Ich halte einen derartigen Anspruch auch für gut begründbar und evtl. für durchsetzbar. Die Erfolgsaussichten sehe ich jedoch eher als gering an.
Aber: einen Versuch ist es evtl. wert?
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt