Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Die unterbliebene Kostengrundentscheidung im Widerspruchsverfahren

vom 5. Dezember 2016

Fraglich ist, welche Konsequenzen eine unterbliebene Kostengrundentscheidung im Widerspruchsverfahren hat. Diese Frage ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn das Verfahren für den Widerspruchsführer erfolgreich durchgeführt wird. Entscheidet die Behörde entgegen § 63 SGB X nicht über die Kosten, so ergeben sich mehrere Lösungsansätze:

  1. Der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides könnte mit Widerspruch oder Klage angreifbar sein.
     
    Die fehlende Kostengrundentscheidung zum erfolgreichen Widerspruch könnte als Ablehnung der Kostenübernahme zu werten sein. Die unterbliebene Kostengrundentscheidung könnte damit zumindest zu einer Teilrechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides führen. Dagegen könnte der Widerspruch oder auch die Klage das richtige Rechtsmittel sein.
  2. Der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides könnte auch ohne eine Kostengrundentscheidung gemäß § 63 SGB X bestandskräftig werden. Die Behörde müsste die fehlende Kostengrundentscheidung nachholen.
     
    Der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ohne die Kostenentscheidung könnte sich als eigenständige Regelung darstellen und der Erlass der Kostengrundentscheidung könnte im Ergebnis mit einer Verpflichtungsklage erzwungen werden.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen befürwortete, dass der Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides mit der fehlenden Kostengrundentscheidung mit dem Widerspruch angegriffen werden kann und im Ergebnis dann auch die Kosten des – weiteren – Widerspruchsverfahrens einen zusätzlichen Kostenerstattungsanspruch auslösen können (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Oktober 2004, L 13 RJ 35/04).

Rechtslupe

Jedenfalls folgt der Senat im Ergebnis der von Krasney (KK – Krasney, aaO.) und Schneider-Danwitz (Gesamtkommentar, aaO.) vertretenen Meinung. Trifft im Abhilfebescheid die Ausgangsbehörde bzw. im Widerspruchsbescheid die zuständige Widerspruchsstelle entgegen der ihr nach § 63 Abs. 1 SGB X obliegenden Pflicht keine Kostenentscheidung, so steht dies einer Ablehnung der Übernahme der notwendigen Aufwendungen gleich. Der Antragsteller bzw. der Widerspruchsführer ist damit berechtigt, gegen diese im Ergebnis für ihn negative Kostenentscheidung mit dem Rechtsbehelf des Widerspruchs vorzugehen. Er ist nicht verpflichtet, sich auf einen Neuantrag verweisen zu lassen, zumal im SGB X eine § 140 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vergleichbare Regelung fehlt.

Das Bundessozialgericht favorisiert allerdings die zuletzt genannte Ansicht und hob die Entscheidung des LSG auf (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006, B 5 RJ 66/04 R):

Sach- und Kostenentscheidung sind rechtlich selbstständige Entscheidungen. Dabei dürfte es letztlich nur eine Frage der Bezeichnung sein, ob sie – soweit in demselben Dokument enthalten – als Einzelregelungen oder Verfügungssätze eines „Verwaltungsaktes“ angesehen werden, der das Dokument als Ganzes umschreibt oder ob sie als zwei selbstständige (materielle) Verwaltungsakte in demselben „Bescheid“ aufzufassen sind. Die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung ergibt sich stets allein aus den rechtlichen Anforderungen, die das Gesetz jeweils an diese stellt, wohingegen sich die Kostenentscheidung iS des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X nach den dort normierten Vorgaben richtet. Die Kostenentscheidung ist nicht Teil der Sachentscheidung, sondern zusätzlich zu treffen. Ist sie unterlassen worden, macht dies die Sachentscheidung nicht rechtswidrig und damit anfechtbar; vielmehr ist die unterbliebene Kostenentscheidung mit der Verpflichtungsklage zu erwirken.

Im Ergebnis gestattet also das Bundessozialgericht, dass die Behörde den anwaltlichen Vertreter „an der Nase herum führen kann“. Trifft die Behörde – offensichtlich entgegen den gesetzlichen Vorgaben des § 63 SGB X – keine Entscheidung hinsichtlich der Kosten, so kann und muss der anwaltliche Vertreter die Behörde entsprechend benachrichtigen und um Nachholung der Kostengrundentscheidung „bitten“ und gegebenenfalls nach einem halben Jahr eine Untätigkeitsklage erheben (im Hinblick auf § 88 Abs. 1 SGG). Die Entscheidung des Bundessozialgerichts überzeugt nicht. So wird der ohnehin schon rechtswidrig handelnden Behörde erlaubt, den Antragssteller mit seinem Verfahrensbevollmächtigten noch weiter zu drangsalieren. Es entsteht Mehraufwand. Die Behörde kann mit dem Betroffenen und dessen Verfahrensbevollmächtigten „spielen“.


 
 

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