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Startseite  Allgemeines Sozialrecht  4. Gebühren und Kosten

Kostentragungspflicht der Behörde trotz Obsiegens

07.12.2017, aktualisiert am 19.01.2023

VG Wort - ZählpixelWenn eine Behörde durch ihr Verhalten Anlass für die Erhebung einer unzulässigen oder unbegründeten Klage gegeben hat, kann eine Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei unabhängig vom Verfahrensausgang unbillig sein. Die Kostenentscheidung gemäß § 193
 
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen …
 
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 193 SGG
wird nach billigem Ermessen getroffen. Eine Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei kann insbesondere unbillig sein, wenn eine Behörde eine Entscheidung unrichtig begründet und durch die unrichtige Begründung eine Klage provoziert hat. Auch eine unrichtige Beratung kann eine Kostenlast der Behörde zur Folge haben.

Das Bundessozialgericht führt zur unrichtigen Begründung eines Verwaltungsaktes in einem Urteil vom 18. Juli 1989 unter dem gerichtlichen Aktenzeichen 10 RKg 42/88 Folgendes aus:

Urteil des BSG vom 18. Juli 1989, 10 RKg 42/88

… Wer die Kosten eines Gerichtsverfahrens zu tragen hat, hängt vom Ausgang des gesamten Rechtsstreits ab (vgl. dazu BFHE 119, 380, 383; BSG, Beschluss vom 1. Dezember 1988 – 8/5a RKn 11/87 -). Erst wenn die Sachentscheidung insgesamt feststeht, lässt sich das den Gerichten für die Verteilung der Kosten eingeräumte Ermessen (vgl. BSG SozR § 193 SGG Nr. 3 und SozR 1500 § 193 Nr. 3) sachgemäß ausüben. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zwar ist es in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt. Ausnahmsweise kann das Gericht aber auch einem obsiegenden Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Prozessgegners ganz oder teilweise auferlegen, z. B. wenn die beklagte Behörde durch eine unrichtige Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat (vgl. dazu BSGE 17, 124, 128; Hennig/Danckwerts/König, SGG, Kommentar, § 193 Anm. 5; Kummer in von Maydell/Ruland, Sozialrechtshandbuch, B 13 Rdz. 242 m. w. N.). Deshalb widerspräche es dem Sinn und Zweck des § 193 Abs. 1 SGG, wenn der Senat die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts aufrechterhalten hätte, soweit schon in der Sache selbst eine endgültige Entscheidung vorliegt. Der Senat ist auch nicht durch das Verbot der reformatio in peius an der vollständigen Aufhebung der vorinstanzlichen Kostenentscheidung gehindert. Denn dieses Verbot gilt nicht für die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten (BSGE 62, 131, 136).

In einer weiteren Entscheidung vom 30. August 2001 bestätigt das Bundessozialgericht diese Rechtsprechung zur unvollständigen und irreführenden Begründung (vergl. Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deUrteil vom 30. August 2001, B 4 RA 87/00).

Urteil des BSG vom 30. August 2001, B 4 RA 87/00, am Ende

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Obwohl die Beklagte im Ergebnis in allen Instanzen obsiegt hat, rechtfertigt sich die hälftige Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin auf sie daraus, dass sie durch ihr Verhalten wesentlich Anlass zur Durchführung des Verfahrens gegeben hat. Insbesondere hat die Beklagte durch die ebenso unvollständige wie irreführende Begründung des (damit rechtswidrigen, auf Grund besonderer gesetzlicher Anordnung aber nicht aufhebbaren) Verwaltungsakts bezüglich des (Höchst-)Wertes des zuerkannten Rentenrechts im Bescheid vom 17. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1999 eine rechtzeitige und verständige Prüfung durch die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des § 22 Abs. 4 FRG verhindert.

Auch eine falsche Beratung kann zu einer Kostentragungslast der Behörde führen (vergleiche dazu zum Beispiel Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deLSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2006, L 14 B 1397/05 AS ER).

Beschluss des BSG vom 26. Januar 2006, L 14 B 1397/05 AS ER

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Hälfte der ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens erstattet.

Das Sozialgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin nicht nur (teilweise) nachgegeben, sondern es vor allem versäumt hat, die Antragstellerin vor Beauftragung eines Rechtsanwalts und vor Stellung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die Möglichkeit hinzuweisen, ihre Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an sie (die Antragsgegnerin) abzutreten, um eine Gewährung von Leistungen als Darlehen zu erreichen. Sie hat damit nicht bzw. nur unzureichend ihrer sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebenden Pflicht genügt, die Interessen der Antragstellerin verständnisvoll zu fördern und sie über eine zumindest nicht fern liegende Gestaltungsmöglichkeit zu beraten.

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4 Kommentare (Fragen/Antworten)

  1. cityman meint

    24.10.2019

    Ich hatte mit dieser Argumentation und unter Hinweis auf die erstgenannte Rechtsprechung im SG-Verfahren eine Kostentragung der beklagten Behörde beantragt. Das SG hat jedoch beschlossen, dass keine Kosten zu erstatten sind. Ist nun eine separate Geltendmachung meiner Kosten bei der Behörde zu empfehlen (mit ggfs. anschließenden neuen SG-Verfahren)?

    antworten
    • Rechtsanwalt S. Nippel meint

      24.10.2019

      Hallo Cityman,

      gegenüber dem Beschluss (?) oder Urteil (?) des SG können Sie ggf. Beschwerde oder Berufung einlegen. Hierzu ist dann allerdings bei einem Urteil zu beachten, dass der Beschwerdewert erreicht wird. Eine separate Geltendmachung bei der Behörde dürfte nach meiner Einschätzung keinen Sinn machen.

      Grüße
      Sönke Nippel

      antworten
  2. Claimant meint

    14.05.2020

    Können diese Rechtsentscheidungen auch angewandt werden, wenn die Behörde bereits im Antragsverfahren eine unrichtige , unvollständige oder nicht rechtliche Begründung abgegeben und somit einen Widerspruch begünstigt hat? Wäre in diesem Fall zunächst ein außergerichtlicher Kostenerstattungs- antrag zu empfehlen, gegen den im Ablehnungsfalle zu klagen wäre?

    antworten
    • Rechtsanwalt S. Nippel meint

      15.05.2020

      Hallo Claimont,

      im Antragsverfahren entstandene Kosten werden grundsätzlich nicht ersetzt.

      Für das Widerspruchsverfahren enthält § 63 SGB X die entsprechenden Regelungen. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB XII spricht von einem „erfolgreichen“ Widerspruch. § 63 SGB X weicht von § 193 SGG also stark ab.

      Ich würde es zwar sehr begrüßen, wenn auch die Kosten der Vertretung nach § 63 SGB X ersetzt werden, wenn der Widerspruch durch die Behörde „provoziert“ wurde. Ich halte einen derartigen Anspruch auch für gut begründbar und evtl. für durchsetzbar. Die Erfolgsaussichten sehe ich jedoch eher als gering an.

      Aber: einen Versuch ist es evtl. wert?

      Grüße
      Sönke Nippel
      Rechtsanwalt

      antworten
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