In sozialrechtlichen Angelegenheiten entstehen bei Beauftragung eines Rechtsanwaltes Gebühren gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (im Folgenden: RVG) für das vorgerichtliche und ggf. für das gerichtliche Verfahren gemäß den folgenden Ausführungen.
I. vorgerichtliche Tätigkeit 1. Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV_RVG a) Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren b) Mittelgebühr c) Kappungsgrenze d) umfangreiche Tätigkeit 2. Einigung und ErledigungII. gerichtliche Tätigkeit 1. Verfahrensgebühr 2. Terminsgebühr 3. Einigung und ErledigungIII. Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, Untätigkeitsklage, Rechtsmittelverfahren
I. Vorgerichtliche Tätigkeit
Im vorgerichtlichen Verfahren können im Wesentlichen Geschäfts- und Einigungs- oder Erledigungsgebühren anfallen.
1. Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG
Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) Vergütungsverzeichnis
Teil 1 Allgemeine Gebühren…
(Link: zum Text hier im Internetauftritt)Nr. 2302 Nr. 1 VV-RVG ist der zentrale Gebührentatbestand für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren im vorgerichtlichen sozialrechtlichen Verfahren:
2302 |
| 60,00 bis 768,00 € |
Nr. 2302 VV-RVG ist nur anwendbar, wenn Betragsrahmengebühren entstehen.
Meist entstehen in sozialrechtlichen Angelegenheiten Betragsrahmengebühren, mit denen ich mich in dem Beitrag Betragsrahmengebühren im Sozialrecht
Die maßgebliche Vorschrift zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren in sozialrechtlichen Verfahren enthält § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis. Danach entstehen in der Regel Betragsrahmengebühren, ggf. aber auch …
(Link: zum Beitrag hier im Internetauftritt)Betragsrahmengebühren im Sozialrecht gesondert beschäftige. Im sozialrechtlichen Verfahren werden nur dann Wertgebühren gemäß § 2 Höhe der Vergütung
(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).
(2) …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 2 RVG nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 – Kostenfreiheit des Verfahrens
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich …
(Link: Gesetzestext und kurze Kommentierung hier im Internetauftritt)§ 183 SGG genannten Personen gehört, § 3 Gebühren in sozialrechtlichen Angelegenheiten
(1) … In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 3 Abs. 1 S. 2 RVG. Weitere Ausnahmen von der Gerichtkostenfreiheit sind in §§ § 192 – Verschuldungskosten
(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)192, § 197 a – Kostenpflichtigkeit
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)197 a und § 202 – entsprechende Anwendung des GVG und der ZPO
(1) Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)202 SGG geregelt.
a) Geschäftsgebühr im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
Die Gebühr gemäß Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) Vergütungsverzeichnis
Teil 1 Allgemeine Gebühren…
(Link: zum Text hier im Internetauftritt)Nr. 2302 VV-RVG kann sowohl im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren (Antrags-, Anhörungs-, Nachprüfungsverfahren,…) sowie auch zusätzlich im Widerspruchsverfahren entstehen, denn es handelt sich bei dem Ausgangsverfahren bis zum Erlass des Ausgangsbescheides und dem Widerspruchsverfahren bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 17 Verschiedene Angelegenheiten
Verschiedene Angelegenheiten sind
1. das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 17 Nr. 1 a RVG:
- Verschiedene Angelegenheiten sind
- …
- 1a. jeweils das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren (Vorverfahren, Einspruchsverfahren, Beschwerdeverfahren, Abhilfeverfahren), das Verfahren über die Beschwerde und die weitere Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung, das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und ein gerichtliches Verfahren,
- …
Entstehen zwei Gebühren im vorgerichtlichen Verfahren, so soll allerdings die in dem Verwaltungsverfahren entstandene Gebühr auf eine weitere Tätigkeit in dem Nachprüfungsverfahren/ Widerspruchsverfahren zur Hälfte angerechnet werden, Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 S. 1 (bitte beachten Sie, dass die „Anrechnung“ im Sozialrecht erst durch die Reform zum 1. August 2013 eingeführt wurde).
Beispiel:
Mandant M lässt sich im Verwaltungsverfahren in einer Angelegenheit zu einer Rückforderung/-erstattung anwaltlich durch Rechtsanwalt R gegenüber der Behörde B vertreten. Es ergeht schließlich ein Bescheid.R legt Widerspruch ein.
Es entstehen 2 Gebühren gemäß VV-Nr. 2302. Die Geschäftsgebühr für das Verwaltungsverfahren ist zur Hälfte anzurechnen. Insgesamt erhält der R 1 ½ Geschäftsgebühren gemäß Nr. 2302 VV-RVG.
Die entsprechende Kostenberechnung würde wie folgt lauten:
1. Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 359,00 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € 2. Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 359,00 € Anrechnung 1/2 Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG – 179,50 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 578,50 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 109,92 € Summe: 688,42 €
b) Mittelgebühr
Die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG sieht die Abrechnung innerhalb eines Betragsrahmens von 60,00 € bis 768,00 € vor.
Die Mittelgebühr beträgt 414,00 € (60,00 € + 768,00 € / 2). Dies gilt sowohl für die Rechtsanwaltsgebühren im sozialrechtlichen Verwaltungs- als auch im Nachprüfungs-/Widerspruchsverfahren.
Wird eine Mittelgebühr geltend gemacht, müssen aber die nachfolgenden Ausführungen zur Kappungsgrenze beachtet werden. Nr. 2302 letzter Satz lautet:
Eine Gebühr von mehr als 359,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
Zur Bestimmung der Höhe einer Betragsrahmengebühr vergleichen Sie auch den Beitrag:
Beispiel:
Mandant M lässt sich im Widerspruchsverfahren durch Rechtsanwalt R gegenüber der Behörde B vertreten. Es ergeht ein Bescheid. R legt Widerspruch ein.Die entsprechende Kostenberechnung würde wie folgt lauten:
Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 359,00 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 379,00 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 72,01 € Summe: 451,01 €
c) Kappungsgrenze
Die Anmerkung in dem Gebührentatbestand Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) Vergütungsverzeichnis
Teil 1 Allgemeine Gebühren…
(Link: zum Text hier im Internetauftritt)Nr. 2302 VV-RVG „Eine Gebühr von mehr als 359,00 € kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war“, wird häufig übersehen. Es handelt sich um eine Kappungsgrenze.
Eine Geschäftsgebühr von mehr als 359,00 € soll nur geltend gemacht werden, wenn es sich um eine „umfangreiche“ oder „schwierige“ Tätigkeit handelt.
d) „umfangreiche“ und/oder „schwierige“ Tätigkeit
Anhaltspunkte für eine „umfangreiche“ oder schwierige Tätigkeit können sich z. B. aus einer erforderlichen Einsicht in die Verwaltungsakten, dem sonstigen Rechercheumfang, der Anzahl und dem Umfang der gefertigten Schriftsätze, dem sonstigen Zeitaufwand und nicht zuletzt der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber ergeben.
Die Hinweise in VV-Nr. 2302 auf „umfangreiche“ oder „schwierige“ Tätigkeiten unterscheiden sich von den Regelungen in § 14 Rahmengebühren
(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 14 RVG zur Berechnung der Betragsrahmengebühren. Gemäß § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Sachlich dürften allerdings auch bei der Prüfung, ob eine umfangreiche oder schwierige Tätigkeit vorliegt, die Überlegungen zu § 14 RVG sinngemäß anzustellen sein.
2. Einigung und Erledigung
Im Falle einer Einigung oder Erledigung können gemäß Nr. 1005 VV-RVG –
Einigung oder Erledigung in einem Verwaltungsverfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG):
…
(Link: zum Text mit kurzer Kommentierung hier im Internetauftritt)Nr. 1005 VV-RVG Einigungs- bzw. Erledigungsgebühren entstehen.
Einigungs- und Erledigungsgebühren entstehen zusätzlich neben der Geschäftsgebühr.
Einigungs- und Erledigungsgebühren entstehen in Höhe der Geschäftsgebühr, vgl. Nr. 1005 Abs. 1 S. 3 VV-RVG.
II. Gerichtliche Tätigkeit
Im gerichtlichen Verfahren können Verfahrens-, Termins-, Einigungs- und Erledigungsgebühren entstehen.
1. Verfahrensgebühr
Für die gerichtliche Vertretung im sozialrechtlichen Verfahren entstehen Rechtsanwaltsgebühren gemäß Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) Vergütungsverzeichnis
Teil 1 Allgemeine Gebühren…
(Link: zum Text hier im Internetauftritt)Nr. 3102 VV-RVG. Der entsprechende Gebührentatbestand lautet:
3102 | Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). | 60,00 bis 660,00 € |
Der Rahmen der Verfahrensgebühr reicht von 60,00 € bis 660,00 €. Die Mittelgebühr beträgt also 360,00 € (60,00 € + 660,00 € /2).
Anders als bei der Geschäftsgebühr ist jetzt eine Kappungsgrenze nicht mehr vorgesehen.
War der Rechtsanwalt bereits im Verwaltungsverfahren bzw. im Widerspruchsverfahren tätig, so sieht der Gesetzgeber nach der Reform im Jahr 2013 in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 und 2 VV-RVG eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vor:
Beispiel:
M lässt sich im Widerspruchsverfahren anwaltlich durch Rechtsanwalt R gegenüber der Behörde B vertreten. Gegen den ablehnenden Widerspruch erhebt R Klage vor dem Sozialgericht.
Es entsteht 1 Gebühr gemäß VV-Nr. 2302 in dem Widerspruchsverfahren. Die Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren ist zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Insgesamt erhält R also 1 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG und 1 Verfahrensgebühr gemäß 3102 abzüglich ½ Geschäftsgebühr.
Die entsprechende Kostenberechnung würde wie folgt lauten:
Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 359,00 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Verfahrensgebühr Nr. 3102 360,00 € abzüglich 1/2 Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG – 179,50 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 579,50 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 110,11 € Summe: 689,61 €
2. Terminsgebühr
Neben der Verfahrensgebühr entsteht im sozialgerichtlichen Verfahren zumeist auch noch eine Terminsgebühr gemäß VV-Nr. 3106:
3106 | Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Die Gebühr entsteht auch, wenn In den Fällen des Satzes 1 beträgt die Gebühr 90% der in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nr. 1008. | 60,00 bis 610,00 € |
Die Mittelgebühr beträgt also 335,00 € (60,00 € + 610,00 € / 2).
Zu beachten ist, dass ein gerichtlicher Termin gemäß Nr. 3106 S. 1 Ziffern 1. bis 3. für die Entstehung der Terminsgebühr nicht zwingend Voraussetzung ist. Wird eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt, verringert sich die Gebühr um 10 %, Nr. 3106 S. 2 VV-RVG.
Beispiel:
Eine Kostenberechnung bei Entstehung einer Verfahrens- und Terminsgebühr (ohne Termin) gemäß VV-Nr. 3106 S. 1 Nrn. 1 bis 3 würde wie folgt lauten:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 360,00 € Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 301,50 €* Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 681,50 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 129,49 € Summe: 810,99 € (* = die 301,50 € errechnen sich gemäß VV-Nr. 3106 aus 90 % der Verfahrensgebühr, vgl. VV-Nr. 3106 letzter Satz)
3. Einigung und Erledigung
Schließlich können im Falle einer gerichtlichen Einigung oder Erledigung gemäß Nr. 1006 VV-RVG –
Über den Gegenstand ist ein gerichtliches Verfahren anhängig:
Die Gebühr 1005 entsteht ……….
…
(Link: zum Text mit kurzer Kommentierung hier im Internetauftritt)Nr. 1006 VV-RVG Einigungsgebühren bzw. Erledigungsgebühren entstehen.
Einigungs- und Erledigungsgebebühren entstehen in Höhe der Verfahrensgebühr, Nr. 1006 Abs. 1 S. 2 VV-RVG zusätzlich zu der Verfahrensgebühr.
III. einstweiliger Rechtsschutz, Untätigkeitsklage, …
In den vorbenannten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der Untätigkeitsklage und der Rechtsmittelverfahren greifen folgende „Sonderregelungen“:
1. einstweiliger Rechtsschutz
Gemäß § 17 Nr. 4 RVG sind Hauptsacheverfahren und Eilverfahren verschiedene Angelegenheiten:
- Verschiedene Angelegenheiten sind
- …
- 4. das Verfahren in der Hauptsache und ein Verfahren über
- a) die Anordnung eines Arrests,
- b) den Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung,
In den Eilverfahren können also grundsätzlich die oben für das gerichtliche Verfahren unter 2. beschriebenen Gebühren entstehen.
2. Untätigkeitsklage
Zu beachten ist hinsichtlich der Untätigkeitsklage gemäߧ 88 Untätigkeitsklage
(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt) § 88 SGG nur, dass diese Klage von der Rechtsprechung in der Regel als Verfahren von unterdurchschnittlicher Bedeutung angesehen werden. Bei der Bemessung der Betragsrahmengebühr ist also in der Regel nur der Ansatz eines geringen Betrages möglich.
In Nordrhein-Westfalen wird in der Regel das zweifache der Mindestgebühr gemäß Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) Vergütungsverzeichnis
Teil 1 Allgemeine Gebühren…
(Link: zum Text hier im Internetauftritt)Nr. 3102 VV-RVG (s. o. 2 x Mindestgebühr in Höhe von 50,00 € = 100,00 €) festgesetzt (vgl. dazu ausführlich www.justiz.nrw.deLSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2008, L 19 B 24/08 AS, zu II., mit weiteren Hinweisen):
[30] … In der Rechtsprechung zur Bestimmung der angemessenen Betragsrahmengebühr bei einer Untätigkeitsklage findet sich der Ansatz der doppelten Mindestgebühr (80,- EUR , www.sozialgerichtsbarkeit.deLSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.06.2007, L 18 B 732/07 AS), der dreifachen Mindestgebühr (120,- EUR, www.sozialgerichtsbarkeit.deSG Hamburg, Beschluss vom 05.07.2006, S 58 AS 329/05), der vierfachen Mindestgebühr (160,- EUR, LSG Sachsen, Beschl. v. 2.07.2004, L 2 B 73/03 AL-PKH), der halben Mittelgebühr (125,- EUR, www.sozialgerichtsbarkeit.deSG Marburg, Beschluss vom 14.02.2008, S 6 KR 72/07), von 60% der Mittelgebühr (150,- EUR, www.sozialgerichtsbarkeit.deSG Hamburg, Beschluss vom 21.03.2007, S 61 AS 1905/06) oder von 75% der Mittelgebühr (187,50 EUR, SG Dortmund, Beschluss vom 15.05.2006, S 6 KN 2/05). Zur Überzeugung des Senats ist bei einer durchschnittlichen Untätigkeitsklage nach § 88 SGG der Ansatz der doppelten Mindestgebühr, d.h. von 80,- EUR, gerechtfertigt. Bei einer Untätigkeitsklage, die sich wie im vorliegenden Fall nach Klageerhebung in kurzer Zeit durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes unstreitig erledigt, handelt es sich im Vergleich zu den übrigen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen um ein deutlich unterdurchschnittliches Verfahren.
[31] …
Eine Anrechnung bereits entstandener Gebühren findet allerdings nicht statt. Ob die niedrige Vergütung angemessen ist, ist meines Erachtens höchst zweifelhaft. Dadurch werden noch nicht einmal die Kosten des Klageschriftsatzes gedeckt.
Es ist allerdings zu beachten, dass bei der Untätigkeitsklage neben der Verfahrensgebühr auch noch eine Erledigungsgebühr anfallen kann. Eine Erledigungsgebühr fällt allerdings nur in Ausnahmefällen an (vgl. www.sozialgerichtsbarkeit.deLSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. März 2009 – L 7 B 214/08 AS, zu II. 2. c) bb):
… Denn der Anfall einer Erledigungsgebühr erfordert ein qualifiziertes Tätigwerden des Rechtsanwaltes, das auf den Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung abzielt. Als Mitwirkungshandlung reichen weder die Erhebung noch die Begründung der Untätigkeitsklage, die Stellungnahme auf eine gerichtliche Entscheidung, noch die bloße Erledigungserklärung aus (ausführlich LSG NRW , Beschluss vom 05.05.2008, L 19 B 24/08 AS; vgl. ferner zuletzt OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18.11.2008, 2 O 61/07, […]; beide m.w.N.). Diese Verfahrenshandlungen werden durch die Tätigkeitsgebühr – hier die Verfahrensgebühr – abgegolten (vgl. LSG NRW a.a.O.).
3. Rechtsmittelverfahren
Die Gebührentatbestände sehen in den Nrn. 3204, 3205, 3212 und 3213 für Verfahren der Berufung und Revision vor den Landessozialgerichten und dem Bundessozialgericht also höhere Verfahrens- und Terminsgebühren als vor den Sozialgerichten vor.
Fr. Haas says
Hallo! Sie berechnen die Terminsgebühr als Mittelgebühr mit 280 €, rechnen dann im folgenden Beispiel aber mit 270 €. Das Ergebnis stimmt zwar, aber der Zwischenschritt, nämlich 90 % von 300 € auszurechnen, fehlt hier. Auch wenn der Gesetzestext angegeben wurde, sollte man schon erklären, was man da berechnet hat.
Manfred Schneiders says
zu II gerichtliche Tätigkeit
3. Einigung und Erledigung
Aufhebung des angefochtenen Bescheides vor einer mündlichen Verhandlung:
beim zuständigen Sozialgericht , Bundesagentur: „Nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage hebe ich „aufgrund Ihrer Klage vom … den Bescheid vom …. hiermit auf“
Warum nicht Erledigungsgebühr?
Fällt eine Erledigungsgebühr mach 1006, 1002, Nr. 1005 an ?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Schneiders,
handelt es sich evtl. um ein Anerkenntnis gemäß Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG?
An eine Einigung bzw. Erledigungsgebühr werden sehr hohe Ansprüche gestellt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Anonym says
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe in Bezug auf eine Zahlungsaufforderung der Krankenkasse, die meines Erachtens nicht gerechtfertigt ist, einen Anwalt konsultiert. Er verfasste einen Widerspruch gegenüber der Krankenkasse. Nun erhielt ich folgende Rechnung und kann dem nicht ganz nachvollziehen.
Geschäftsgebühr für Tätigkeit im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren
§ 14 RVG Nr. 2302 Satz 1 VV RVG 768,00 Euro + 20,00 Euro Pauschale + 19% Umsatzsteuer = 937,72 Euro.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo anonym,
ohne eine weitere Erklärung der Rechnung durch den Anwalt ist diese auch für mich nicht wirklich verständlich:
Der Anwalt kann für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren eine Betragsrahmengebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG – Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten
Geschäftsgebühr in
1. sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG),
2. Verfahren …
(Link: zum Text mit kurzer Kommentierung hier im Internetauftritt)Nr. 2302 VV-RVG zwischen 60,00 € und 768,00 € geltend machen. Bei einer Betragsrahmengebühr kann der Anwalt nach
1. Umfang der Bearbeitung
2. Schwierigkeit der Bearbeitung
3. Bedeutung für den Auftraggeber
4. wirtschaftliche Verhältnisse bzw. Einkommensverhältnisse des Auftraggebers
…
festlegen, ob er nur die Mindestgebühr oder die Höchstgebühr geltend macht. Dabei darf er allerdings nicht willkürlich verfahren, sondern muss sich an den oben genannten Kriterien orientieren (vgl. dazu auch den Beitrag Betragsrahmengebühren im Sozialrecht
Die maßgeblichen Vorschriften zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren in sozialrechtlichen Verfahren enthalten § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (im Folgenden: RVG) in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (im Folgenden: VV) und § 14 RVG. …
(Link: zum Beitrag hier im Internetauftritt)Betragsrahmengebühren im Sozialrecht zu II.).
Eine Gebühr von mehr als 359,00 € kann der Anwalt nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, Nr. 2302 VV-RVG – Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten
…
Eine Gebühr von mehr als 359,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
(Link: zum Text mit kurzer Kommentierung hier im Internetauftritt)Nr. 2302 S. 2 VV-RVG.
Grüße
Sönke Nippel
Abelardo VAZQUEZ CONDE says
Bin spanischer Anwalt und habe spanischen Klienten gegenüber einer deutschen Pflegekasse wegen Durchführung der Mitgliedschaft vertreten: Antrag (abgelehnt) Widerspruch (abgewiesen) Feststellungsklage, mehrere Schriftsätze, Beklagte gibt vor Gericht Anerkenntnis ab. Ich erkläre Klage als erledigt. Können Sie mir Kostenabrechnung nach BRAGO bzw. VV RVG vorschlagen? Keine Ahnung!
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
wie wäre es damit?
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Luft says
Vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Wie verhält es sich mit den Anwaltsgebühren bei einer Streitigkeit über die Erstattungs-/ Leistungspflicht einer privaten Krankenkasse. Diese Verfahren sind wohl vor den ordentlichen Gerichten zu führen. Wird hier trotzdem eine Betragsrahmengebühr angesetzt, weil der Versicherte zu dem von § 183 SGG privilegiertem Personenkreis gehört?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Luft,
nein, es wird keine Betragsrahmengebühr angesetzt. Vor den ordentlichen Gerichten wird eine Wertgebühr anhand des Streitwertes bestimmt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Salli1 says
Ich bin am 06.09.2022 geschieden worden.Vor Gericht einigte ich mich mit meiner Frau über Zugewinn für mein Haus und nachehelichen Unterhalt. Das Gericht setzte den Streitwert auf 71.001,50€ fest. Nun fordert mein Anwalt 6133,86€.
Verfahrensgebühr 1907,10€
Terminsgebühr 1760,40€
Erledigungsgebühr 1467,00€
Post +Tele. 20,00€
Umsatzsteuer 979,36 €
Endsumme 6133,86 €
Ich bin der Erledigungsgebühr nicht einverstanden. Ist sie rechtens?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Salli,
… es handelt sich nicht um eine sozialrechtliche Fragestellung …
… ob im Familienrecht die Einigung über einen Teilbereich aus dem Scheidungsverbund (hier Zugewinn) eine Abrechnung der Einigung auch für andere Teilbereiche rechtfertigt, kann ich nicht beurteilen. … ich kann auch nicht einschätzen, ob hier überhaupt die Einigungsgebühr über den gesamten Streitwert abgerechnet wurde …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Solicitore says
Hallo Herr Nippel,
Sie haben eine schöne Übersicht über die Gebührentatbestände im Sozialrecht verfasst. Allerdings ist aufgefallen, dass eine Verfahrensmöglichkeit nicht bewertet wurde. So neigen die Sozialgerichte nämlich häufig dazu, Verfahren zu verbinden. Da grundsätzlich bis zur Verbindung zwei (oder mehr) Angelegenheiten vorliegen, ab der Verbindung aber nur noch eines, gibt es hier Besonderheiten, die ggf. noch ergänzt werden könnten?
Viele Grüße