Sowohl die Sozialhilfe als auch die Sozialversicherungen haben eine bis in die Antike und in Deutschland eine bis in das Mittelalter zurückreichende Tradition.
1. Antike
Bereits in der Antike sind erste Anfänge einer sozialrechtlichen Ordnung enthalten.
Vereine und Gilden der Handwerker kümmerten sich zeitweise im römischen Reich um die gesundheitlichen Belange ihrer Mitglieder. Die collegia tenuriorum („Krankenkassenvereine“) bezogen ihre Mittel aus „Eintrittsgeldern“ sowie laufenden Beiträgen und erbrachten Leistungen in Form ärztlicher Hilfe, Heilmittel und evenutell Verdienstausfallersatz (vergleiche Sozialrecht, von Raimund Waltermann, Rdnr. 53).
Beispielhaft sei zur Sozialhilfe die aus der Rechtsgeschichte Roms überlieferte Norm zu Drillingsgeburten angesprochen, die bestimmt, dass aus öffentlichen Mitteln Kindesunterhalt bis zum 17. Lebensjahr zu leisten ist (vgl. dazu u. a. Otto Behrends, Das Sozialrecht. Sein Wert und seine Funktion in historischer Perspektive, S. 5).
In der Spätantike gewann dann schließlich die Kirche wachsenden Einfluss auf den Bereich der sozialen Sicherung (s. o. Waltermann, Rdnr. 40).
2. Mittelalter
Im Berbau gab es bereits im Mittelalter den Bergbaupfennig in den Büchsenkassen, die später zu Knappschaftskassen wurden.
Die Reichspolizeiordnung von 1530 sah bereits vor, dass Städte und Gemeinden bedürftige Arme unterstützen sollten.
3. Industrialisierung bis zum Kaiserreich
§§ 9 und 10 des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 regelten die Verpflichtung des Staates, für die Bürger zu sorgen, die sich ihren Unterhalt nicht selber verschaffen konnten. Die Verpflichtung konnte auf die Kommunen abgewälzt werden:
Neunzehnter Titel
Von Armenanstalten, und andern milden Stiftungen
Grundsätze.
§. 1. Dem Staate kommt es zu, für die Ernährung und Verpflegung derjenigen Bürger zu sorgen, die sich ihren Unterhalt nicht selbst verschaffen, und denselben auch von andern Privatpersonen, welche nach besondern Gesetzen dazu verpflichtet sind, nicht erhalten können.
…
Wem die Versorgung der Armen obliegt.
§. 9. Privilegirte Corporationen, welche einen besondern Armenfonds haben, oder dergleichen, ihrer Verfassung gemäß, durch Beyträge unter sich aufbringen, sind ihre unvermögenden Mitglieder zu ernähren vorzüglich verbunden.
§. 10. Auch Stadt- und Dorfgemeinen müssen für die Ernährung ihrer verarmten Mitglieder und Einwohner sorgen.
…
Die Staaten mussten reagieren, als es zur Konzentration der für die Armut besonders anfälligen Lohnarbeiterschaft in den wachsenden Städten kam.
Die preußische Allgemeine Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845 gestattete es daher in § 169 den Gemeinden, eine Beitrittspflicht zu Unterstützungskassen zu regeln:
§. 169. Durch Orts-Statuten können insbesondere Anordnungen über die Verhältnisse der selbstständigen Gewerbetreibenden zu ihren Gesellen, Gehülfen und Lehrlingen mit der Wirkung getroffen werden, dass eine Abänderung derselben durch Vertrag nicht zulässig ist. Deßgleichen kann für alle an dem Orte beschäftigten Gesellen und Gehülfen die Verpflichtung festgesezt werden, den im §. 144 erwähnten Verbindungen und Cassen zur gegenseitigen Unterstützung beizutreten; es darf jedoch ein Unterschied zwischen den Gesellen oder Gehülfen der Innungsgenossen und denjenigen, welche bei andern Gewerbetreibenden arbeiten, nicht angeordnet werden.
Diese Möglichkeit der Beitragspflicht wurde auf Fabrikarbeiter erstreckt. Fabrikinhaber konnten zur Betragspflicht verpflichtet werden.
Das Gesetz über die gewerblichen Unterstützungskassen vom 3. April 1854 eröffnete den Bezirksregierungen in Preußen die Möglichkeit, Arbeitnehmer zur Errichtung von Zwangskassen zu verpflichten.
4. Kaiserreich
Auf Betreiben von Bismarck ergingen schließlich die Gesetze betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, das Unfallversicherungsgesetz und die Invaliditäts- und Altersversicherung.
Es wurde eine öffentlich-rechtliche Zwangsversicherung begründet. Unabhängig vom Wechsel des Arbeitsverhältnisses wurden öffentlich-rechtliche Ansprüche begründet.
5. Entwicklung bis zum 2. Weltkrieg
Im Jahr 1924 wurden die Fürsorgepflichtverordnung mit einer als Fürsorge bezeichneten Armenpflege sowie die Reichsgrundsätze über Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge erlassen.
Die Sozialversicherungen expandierten.
6. Entwicklung ab 1945
Die Verordnung zur Durchführung der Reichsgrundsätze von 1924 über Voraussetzungen, Art und Ausmaß der öffentlichen Fürsorge vom 12. April 1954 führte schließlich nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 1954 (V C 78.54) zu einem Rechtsanspruch auf Hilfeleistungen.
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