Bürgergeld-Empfänger sind verpflichtet, bei der Aufklärung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuwirken (§§ 60 ff. SGB I) und auf Anforderung Kontoauszüge vorzulegen. Nach dem BSG-Urteil vom 19. September 2008 (BSG, 19.09.2008 – B 14 AS 45/07 R) dürfen jedoch sensible Empfängerangaben geschwärzt werden, wenn andernfalls religiöse, politische oder sonstige besonders geschützte Daten offengelegt würden (§ 67 SGB X).
Die Vorlagepflicht bleibt bestehen – doch das Recht auf Schwärzung ist Teil des Sozialgeheimnisses. Das Jobcenter muss darauf ausdrücklich hinweisen (§ 67 Abs. 12 SGB X i. V. m. § 67a Abs. 1 S. 2 SGB X).
1. Mitwirkungspflicht nach §§ 60 ff. SGB I
Wer Leistungen nach dem Bürgergeldgesetz beantragt oder erhält, muss nach § 60 SGB I alle Tatsachen angeben, die für die Leistung erheblich sind, und entsprechende Nachweise vorlegen. Dazu gehören regelmäßig Kontoauszüge der letzten drei Monate.
Grenzen der Mitwirkungspflicht ergeben sich aus § 65 SGB I. Danach besteht keine Pflicht, Angaben zu machen oder Unterlagen vorzulegen, wenn dies unzumutbar oder gesetzlich unzulässig wäre.
2. BSG-Urteil 2008 – Schwärzung von Kontoauszügen
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom BSG, 19.09.2008 – B 14 AS 45/07 R entschieden, dass Jobcenter die Vorlage ungeschwärzter Kontoauszüge verlangen dürfen, die Leistungsberechtigten aber bestimmte Empfängerangaben schwärzen dürfen, wenn dadurch besonders sensible Daten offengelegt würden.
„Für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des Grundsicherungsträgers ist es nicht erforderlich, Kenntnis über das Ausgabeverhalten der Leistungsberechtigten in den in § 67 Abs. 12 SGB X genannten Bereichen zu erlangen. (…) Geschützt ist die Geheimhaltung des Verwendungszwecks bzw. des Empfängers, nicht jedoch die Höhe der Zahlung.“
3. Datenschutz (§ 67 SGB X n. F.)
Die Regelung des § 67 SGB X wurde an die DSGVO angepasst.
Grundsatz: Die Kenntnis der Daten muss zur Aufgabenerfüllung erforderlich sein.
Besonders schützenswert sind Angaben zu religiösen, politischen oder gewerkschaftlichen Bindungen, zu Gesundheit und Sexualleben.
Auf Kontoauszügen dürfen Empfänger oder Verwendungszwecke geschwärzt werden, wenn sie Rückschlüsse auf Partei-, Religions- oder Gewerkschaftszugehörigkeit zulassen. Die Beträge selbst müssen aber erkennbar bleiben.
4. Hinweispflicht des Jobcenters
Nach dem BSG-Urteil von 2008 muss das Jobcenter bereits im Mitwirkungsbegehren auf die Schwärzungsmöglichkeit hinweisen (§ 67 SGB X i. V. m. § 67 a Abs. 1 S. 2 SGB X).
Fehlt dieser Hinweis, kann eine Leistungskürzung oder Versagung wegen fehlender Mitwirkung rechtswidrig sein (BSG, 19.09.2008 – B 14 AS 45/07 R).
„Grundsicherungsträger werden künftig auf die Möglichkeit der Schwärzung der Empfängerangaben auf der Ausgabenseite der Kontoauszüge bereits bei ihrem Mitwirkungsbegehren gesondert hinweisen müssen.“
5. Folgen fehlender Mitwirkung
Wer Mitwirkungspflichten verletzt, riskiert eine Versagung oder Entziehung der Leistungen nach § 66 SGB I. Allerdings darf dies nur geschehen, wenn der Träger seinerseits alle Hinweis- und Aufklärungspflichten erfüllt hat – insbesondere den Hinweis auf Schwärzung.
Nach § 35 SGB I gilt das Sozialgeheimnis. Sozialdaten dürfen nur verarbeitet werden, soweit dies zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist.
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Datenschutz, Datenabgleich, Mitwirkungs- & Aufklärungspflichten beim Bürgergeld:



Oliver Höllein says
Schwärzen der Kontoauszüge.
Zuerst möchte ich mich für die Datenbank, die Sie zur Verfügung stellen, bedanken. Diese ist sehr hilfreich. Daher möchte ich auch einen kleinen Fehler hinweisen:
„Grundsicherungsträger werden in Zukunft auf die Regelungen des §§ 67 SGB XII in Verbindung mit § 67 a Abs. 1 S. 2 SGB XII hinsichtlich der Möglichkeit der Schwärzung der Adressaten auf der Ausgabenseite der Kontoauszüge bereits bei ihrem Mitwirkungsbegehren gesondert hinweisen müssen.“
Hier handelt es sich, so denke ich, nicht um SGB XII sondern um SGB X. Vielleicht könnten Sie hier nochmals einen Blick drauf werfen.
Danke
Rechtsanwalt S. Nippel says
Danke für den Hinweis! Durch ein Spracherkennungssystem ist wahrscheinlich der Fehler beim Zitieren des Urteils zustande gekommen. Ich habe den Artikel entsprechend überarbeitet.
Grüße
Sönke Nippel
Miki says
Hallo,
ich suche und finde nirgends! – bei dem Bezug der Erwerbsminderungsrente (dauerhaft) und der Zulage d.d.SGB 12 (Kosten der Unterkunft..) – bin ich verpflichtet sämtliche Kontoauzüge dem Amt vorzulegen oder nicht???
Würde mich auf Ihre Antwort sehr freuen-Danke.
– Miki –
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Miki,
die vom Bundesverfassungsgericht zum SGB II getroffenen Ausführungen dürften grundsätzlich auch für das SGB XII gelten.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Kurt says
Frage: Kann das Sozialamt die Kontoauszüge der letzten 3 Monate in Papierform verlangen oder genügt ein Auszug aus dem Onlinebanking?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Kurt,
die Abfrage von Kontoauszügen der letzten drei Monate ist üblich und zulässig.
Im Rahmen einer Betreung hat sich mir auch schon die Frage gestellt, ob Kopien aus dem Olinebanking genügen. Im Ergebnis habe ich auf eine Anfrage bei der Bank von der Bank kostenlos Duplikate erhalten (auch für die Zeit vor meiner Bestellung zum Betreuer). Ärgerlich war dann allerdings, dass vor Versand der mühselig angeforderten Auszüge eine Bewilligung auch ohne Vorlage „offizieller“ Auszüge anhand der Onlineauszüge erfolgte.
Ich hatte vor der Anfrage bei der Bank kurz recherchiert und dabei erfahren, dass die Auszüge besondere Urkunden sind. Ich halte allerdings ein entsprechendes Verlangen eher für Schikane. Über die Bearbeitung von PDF-Dateien könnte fast so einfach wie über Filter aus dem Onlinebanking manipuliert werden. Weiter habe ich aber mangels Zeit für eine vertiefte Prüfung nicht „nachgehakt“. Streit auf einem derartigen Niveau macht meines Erachtens einfach keinen Sinn. Die Lehre ist: Kontoauszüge ordentlich archivieren!
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Elke Kirchhoff says
Mich würde interessieren, ob das Jobcenter verlangen kann meine Kontoauszüge in Kopie ein zu reichen. Kann ich darauf bestehen diese zur Einsicht persönlich vor zu legen. Ich habe da weiter nichts gefunden. Lese immer nur ich muss Einsicht gewähren.
Wie verhält es sich wenn das Jobcenter auf den Bewilligungsbescheiden die ich per Post zu geschickt bekomme mit der komplett ersichtlichen Kontonummer. Immer wieder sehe ich meine komplette Kontonummer. Müssen diese nicht verschlüsselt auf dem BW stehen. Was ist wenn der Brief auf dem Postwege abhanden kommt. Wie ist da die Regelung oder auch die Gesetzeslage. Gibt es dazu ein Urteil?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Kirchhoff,
ich verstehe § 60 Abs. 1 Nr. 3 SGB I so, dass Sie Unterlagen vorlegen müssen. Das oben zitierte Urteil des BSG enthält genau diese Aussagen. Dies dürfte auch schon aus Praktikabilitätsgründen erforderlich sein. Etwas anderes auszuführen wäre m. E. irreführend!
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwaalt