1. Gesetzliche Grundlage
Einige Versicherungsbeiträge können bei der Berechnung der Leistungen zur Grundsicherung bzw. der Sozialhilfe vom Einkommen abgesetzt werden. § 82 Abs. 1 SGB XII definiert den Begriff des Einkommens im elften Kapitel des SGB XII (Einsatz des Einkommens und Vermögens).
§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII enthält die Regelungen zu den öffentlichen oder privaten Versicherungen:
3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, und
Die Regelungen soll sicherstellen, dass Leistungsberechtigten ausreichende Mittel für übliche Versicherungsbeiträge verbleiben.
2. Gesetzlich vorgeschriebene Versicherungsbeiträge
Gesetzlich vorgeschrieben sind z. B.:
- die Pflegeversicherung für privat Krankenversicherte (§ 23 SGB XI),
- in einzelnen Bundesländern die Gebäudeversicherung.
- Gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 10 SGB XII, der durch das Bürgergeld-Gesetz zum 1. Januar 2023 eingeführt wuden, gehört das Kfz jetzt zum geschützten Vermögen. Damit können Kfz-Haftpflichtversicherungen generell abgesetzt werden. Die Absatzfähigkeit bezieht sich allerdings nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Kfz-Haftpflichtversicherung, nicht auf etwaige ergänzende Kaskoversicherungen.
Die Kfz-Versicherung ist ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben, konnte in der Vergangenheit aber regelmäßig nicht abgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG, konnte dem Hilfebedürftigen zugemutet werden, auf das Halten eines Pkw zu verzichten – Ausnahmen bestanden nur, wenn das Fahrzeug wegen Krankheit oder Behinderung erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile BSG, 18.03.2008 – B 8/9b SO 11/06 R und BSG, 04.04.2019 – B 8 SO 10/18 R).
3. Nach Grund und Höhe angemessene Versicherungsbeiträge
Sind Versicherungsbeiträge nicht gesetzlich vorgeschrieben, können sie nur abgesetzt werden, wenn sie nach Grund und Höhe angemessen sind. Der Begriff der Angemessenheit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff: er umfasst Vorsorgemaßnahmen, die einem umsichtig handelnden Bürger ratsam erscheinen, ohne überzogen zu sein.
Nach der Rechtsprechung des kann Angemessenheit angenommen werden, wenn über die Hälfte der Haushalte mit geringen Einkommen entsprechende Versicherungen abschließen (vgl. BSG, 29.09.2009 – B 8 SO 13/08 R, Rdnr. 23).
- Haftpflichtversicherung
- Hausratversicherung
- Sterbegeldversicherung (wenn sie sozialhilferelevante Bestattungskosten abdeckt)
Nicht als angemessen gelten in der Regel:
- Rechtsschutzversicherung (da Prozesskostenhilfe zur Verfügung steht),
- private Pflegezusatzversicherung,
- kapitalbildende Lebensversicherungen, die über die normale Altersvorsorge hinausgehen.
Dagegen können Lebensversicherungen, die unmittelbar der Altersvorsorge dienen, regelmäßig als angemessen im Sinne des § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII gelten. Dies gilt aber nicht für Lebensversicherungen, die nur der Kapitalbildung dienen.
Auch geförderte Altersvorsorgebeiträge („Riester“) sind in Höhe des Mindestbetrags absetzbar.
4. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Einkommen & Vermögen, Kfz und Versicherungsbeiträgen bei der Grundsicherung im Alter:



Wolfgang Lutzke says
Kurz und Bündig und für einen normalen Bürger sehr übersichtlich erklärt.
Alles auf den Punkt gebracht und ist für den Laien verständlich.
Müller says
Wie verhält es sich mit beiträgen zu Sozialverbänden z.B. VDK?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Müller,
eine genaue Antwort kann ich Ihnen nicht geben, nur eine erste Einschätzung:
§ 82 SGB XII und § 11 b SGB II benennen Absetzbeträge vom Einkommen, die leistungserhöhend wirken. Dazu gehören
– Steuern (§ 11 b Abs. 1 Nr. 1 SGB II, § 82 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII),
– Pflichtbeiträge zu Sozialversicherungen (§ 11 b Abs. 1 Nr. 2 SGB II, § 82 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII),
– Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen (§ 11 b Abs. 1 Nr. 3 SGB II, § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII),
– Altersvorsorgebeiträge (§ 11 b Abs. 1 Nr. 4 SGB II,
– mit der Erzielung des Einkommens verbundene Ausgabe (§ 11 b Abs. 1 Nr. 5 SGB II, § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII),
– Betrag nach § 11 Abs. 3 SGB II,
– Aufwendungen für Unterhaltsverpflichtungen (§ 11 b Abs. 1 Nr. 7 SGB II).
Ich kann im Ergebnis nach einer ersten Prüfung nicht feststellen, dass die Voraussetzungen einer der oben genannten Absetzmöglichkeiten erfüllt sind. Auch die Voraussetzungen des § 11 b Abs. 1 Nr. 3 3. Alt. SGB II bzw. des § 82 Abs. 2 Nr. 3 3. Alt. SGB XII „ähnliche Einrichtung“ scheinen nicht erfüllt zu sein. Unter den ähnlichen Einrichtungen im Sinne des § 11 b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II bzw. § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII sind Gemeinschaftseinrichtungen zu verstehen, die vergleichbare Risiken wie die öffentlichen oder privaten Versicherungen abdecken. Dazu zählen etwa berufsständische Versorgungseinrichtungen, Betriebsgemeinschaftskassen für zusätzliches Ruhegeld oder Sterbegeld, nicht aber Mitgliedschaftsbeiträge für einen Verband.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Idur Trenreb says
Meine Ehefrau und ich erhalten ab dem 8. Dez. 2016 AGL II. Für uns stellt sich die Frage und zwar: Werden Beiträge zur privaten Kranken-Zusatzversicherung, privaten Pflegeversicherung, Privathaftpflicht und Kfz-Haftpflicht vom Jobcenter während des Bezuges von AGL II – finanziert?
Das Antragsformular “SV“ haben wir mit eingereicht.
Für Ihr Feedback bedanke ich mich im voraus !
christa endlich says
Anhand von einem ärztlichen Attest bin ich auf ein Kfz angewiesen, ich beziehe Grundsicherung.
Übernimmt das Sozialamt die Kfz-Versicherung?
Vielen Dank für Ihre Auskunft.
Mit freundlichen Grüßen
M. Endlich
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Endlich,
unter bestimmten Voraussetzungen stehen ihnen Mehrbedarfe zu. Dies hat allerdings nichts mit den „absetzbaren Versicherungsbeiträgen“ (siehe oben den Artikel) zu tun.
Schauen Sie sich doch z. B. hier den Artikel „Mehrbedarf für behinderte Menschen beim Bürgergeld und in der Sozialhilfe“ an. Vielleicht können Sie damit Ihre Frage beantworten.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Harry Hirsch says
Sie schreiben: „In der Regel dürften also Haftpflichtversicherungen und Hausratversicherungen vom Einkommen absetzbar sein“.
Heißt das, dass ein Hartz 4-Empfänger ohne zusätzliches Einkommen diese Versicherungen aus der Regelleistung bezahlen muss?
Wie ist es bei Glasversicherung und Haus-und Grundstückshaftpflichtversicherung, die laut Betriebskostenverordnung vom Vermieter in der Nebenkostenabrechnung aufgeführt werden können? Muss dann das Jobcenter diese Nebenkosten erstatten?
Was muss ein Hartz4-Empfänger und Hausbesitzer machen, um diese Versicherungen vom Jobcenter erstattet zu bekommen?
Ist es ein Betrugsdelikt, wenn das Jobcenter GmbH diese Versicherungen nicht erstatten will?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Harry,
ein Betrugsdelikt dürfte nach einer ersten rechtlichen Einschätzung eher nicht in Betracht kommen.
Die Absetzbarkeit von Versicherungen vom Einkommen, die in der Nebenkostenabrechnung des Vermieters auftauchen, die also nicht direkt auf den Leistungsempfänger lauten, dürfte nach einer ersten rechtlichen Einschätzung eher problematisch sein.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Jana says
Ich beziehe SGB XII (Eingliederungshilfe) und möchte gerne wissen, ob eine Haftpflichtversicherung vom Sozialamt übernommen wird?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Jana,
Beiträge für eine Privathaftpflichtversicherung sind einkommensmindernd zu berücksichtigen (s. o. zu § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII). Das setzt aber voraus, dass Sie auch Einkommen erzielen. Davon können Sie dann auch eine Haftpflichtversicherung bezahlen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
ramsina says
ich zahle seit Jahre 29,-€ monatlich für Bündel (Haftpflicht / Hausrat / Rechtsschutz) Versicherung, und 30,- Euro für Zahn-Zusatzversicherung, die mir sehr wichtig ist,
nun durch Erwerbsminderungsrente die sehr niedrig fällt, habe ich Grundsicherung beantragt.
Die Frage: kann ich diese ca 60,- Euro als Freibetrag bekommen???
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Ramsina,
bei der Zahnzusatzversicherung können Sie ggf. einen Mehrbedarf entsprechend § 21 Abs. 6 SGB II haben, wenn Sie ein „Problemgebiss“ haben (vgl. dazu BSG vom 29.04.2015 B 14 AS 8/14 zum Hartz IV – dies müsste entsprechend auch bei der Grundsicherung im Alter gemäß § 27 a Abs. 4 SGB XII gelten).
Die Rechtsschutzversicherung dürfte eher nicht absetzbar sein. Hier kommt Prozesskostenhilfe in Betracht.
Gemäß dem oben Ausgeführten dürften jedenfalls die Hausratversicherung und die Haftpflichtversicherung absetzbar sein – diese sind dem Grunde nach angemessen, soweit nicht noch zusätzliche weitere Risiken wie z. B. Glasbruch versichert werden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Gabs says
Hallöchen, ich habe eine Rente in Höhe von 702,00 Euro, bekomme Grundsicherung 46,48 Euro ich muss meine Krankenkasse 219,89 Euro selbst zahlen, ich beziehe Altersrente
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Gabs,
also: Ihnen stehen der Regelbedarf, die Kosten der Unterkunft sowie auch der Ausgleich (bzw. die Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge bei der Berechnung der Leistungen) zu.
Im Ergebnis heißt das also zurzeit für einen Alleinstehenden: 449,00 € (Regelbedarf) + X (Kosten der Unterkunft) + Y (Zahlung der KV und PV).
Die Zahlungen an die KV + PV sind in § 26 Zuschüsse zu Beiträgen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung
(1) Für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen …
…
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 26 SGB II bzw. den §§ 32 und 32 a SGB XII geregelt. Im Ergebnis sollten Sie also eigentlich höhere Leistungen erhalten. Nur wenn bei Ihnen die Unterkunftskosten lediglich 90,00 € betragen sollten käme das hin (449,00 € + 219,89 € ergeben schon ca. 660,00 €, 750,00 € Einkommen haben Sie nach Ihren Angaben). Dies käme evtl. auch dann noch hin, wenn die Miete direkt vom Leistungsträger an den Vermieter überwiesen wird.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt