Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Einbeziehung von Verwaltungsakten in das Verfahren gemäß §§ 86 und 96 SGG

16. Januar 2014, aktualisiert am 21. Januar 2021 | Kommentar schreiben

Männchen verzweifelnd Paragrafenzeichen

Einbeziehung von Verwaltungsakten in das Verfahren gemäß §§ 86 und 96 SGG 1Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt, § 96 Erweiterung des Verfahrens
 
(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er …
 
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 96 Abs. 1 S. 1 SGG
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Wird der angefochtene Verwaltungsakt noch während des Vorverfahrens abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens, § 86 neuer Bescheid während des Vorverfahrens
 
Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des…
 
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)
§ 86 1. Halbsatz SGG
.

Gemäß § 96 Abs. 1 SGG in der Neufassung vom 26. März 2008 wird mit der Formulierung nach Klageerhebung klargestellt, dass § 86 SGG auch Anwendung findet, wenn der abändernde Bescheid nach Erlass des Widerspruchsbescheids, aber vor Erhebung der Klage, erlassen wird.

§ 96 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung war nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts weit auszulegen, um den Zweck der Prozessökonomie zu erreichen (vgl. Bild: zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deBSG vom 17. November 2005, B 11 a/11 AL 57/04 R):

Urteil des BSG vom 17. November 2005, B 11 a/11 AL 57/04 R, Rdnr. 24

„Maßgebend hierfür war die auch sonst in der Rechtsprechung des BSG verwendete Überlegung, dass § 96 SGG im Interesse einer „sinnvollen Prozessökonomie“ bzw. eines schnellen und zweckmäßigen Verfahrens dann entsprechend anzuwenden ist, wenn der ursprüngliche Bescheid zwar nicht abgeändert oder ersetzt wird, der spätere Bescheid aber im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses ergeht und ein streitiges Rechtsverhältnis regelt, das „im Kern“ dieselbe Rechtsfrage betrifft und sich an den vom ursprünglichen Bescheid erfassten Zeitraum anschließt.“

Inwieweit die neue Fassung des § 96 SGG auch noch eine „entsprechende (analoge) Anwendung erlaubt, bleibt abzuwarten. Es hat sich in den verschiedenen Bereichen eine breite, kaum zu überblickende Kasuistik entwickelt, die sich möglicherweise zukünftig ändern wird.

  • Für den Bereich der Grundsicherung führte das Bundessozialgericht z. B. in einem Urteil vom 17. November 2005 (Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deB 8/9b SO 12/06 R) aus:
    Urteil des BSG vom 17. November 2005, B 8/9b SO 12/06 R, Rdnr. 8

    Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist damit – nach dem zeitlich unbefristeten Klageantrag – zulässigerweise die gesamte bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit, und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, ohne dass es hierfür eines neuen Bescheides bedürfte. Sollte die Klägerin zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII gestellt haben, hätte sich allerdings der angefochtene Bescheid für die von einem auf diesen Antrag ergangenen neuen Bescheid erfasste Zeit erledigt (§ 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X); ein neuer Bescheid wäre allerdings nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden, weil die Ablehnung der Leistung kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist, er also mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert noch ersetzt werden kann. Wie in Fällen der Entscheidung über Folgezeiträume kann § 96 SGG auch nicht analog Anwendung finden, wenn die Leistung erneut abgelehnt worden sein sollte. Gleiches muss dann auch gelten, falls Leistungen bewilligt worden sein sollten.

  • Im Schwerbehindertenrecht ist die Feststellung eines Merkzeichens ein von der Feststellung des GdB unabhängiger Streitgegenstand. In einen Rechtsstreit wegen der Höhe des Grades der Behinderung kann ein Bescheid über einen Nachteilsausgleich nicht nach § 96 SGG einbezogen werden.
  • Im Krankenversicherungsrecht gilt, dass ein aufgrund einer Betriebsprüfung ergangener Beitragsbescheid durch einen weiteren Beitragsbescheid aufgrund einer anderweitigen Betriebsprüfung weder geändert noch ersetzt wird und damit auch nicht nach § 96 SGG einbezogen wird.

    Bescheide über Folgequartale, für welche häusliche Krankenpflege verordnet worden ist, werden nicht Gegenstand eines bereits anhängigen Verfahrens hinsichtlich vorhergehender Quartale.
 

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