Das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) regelt existenzsichernde Leistungen für bestimmte ausländische Staatsangehörige – getrennt von SGB II und SGB XII. Es enthält abgesenkte Leistungen und teils Sachleistungsvorrang. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 die damaligen Leistungssätze beanstandet; seitdem gelten Mindeststandards (BVerfG, 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 und 2/11).
Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG sind von existenzsichernden Leistungen des SGB II und des SGB XII ausgeschlossen, vgl. dazu unter anderem § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II und § 23 Abs. 2 SGB XII.
Nicht nur Asylbewerber werden von dem AsylbLG erfasst. Erfasst werden neben den Asylbewerbern auch Bewerber, die einen Aufenthaltstitel wegen eines Krieges erhalten oder die sonst aus bestimmten humanitären Gründen im Bundesgebiet lediglich geduldet sind, vgl. § 1 Abs. 1 AsylbLG.
Keine Anwendung findet das AsylbLG auf Ausländer, die einen Aufenthaltstitel mit einer Gesamtgeltungsdauer von mehr als sechs Monaten haben und nicht zu den Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlingen gehören sowie die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder ein Gericht als asylberechtigt anerkannten Bewerber, vgl. § 1 Abs. 2 und 3 Nr. 2 AsylbLG.
1. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG
Leistungsberechtigte erhalten Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG, die bei unbegründeter Ablehnung einer Arbeitsgelegenheit gemäß § 5 AsylbLG wegfallen, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt (vgl. § 4 AsylbLG), sowie sonstige Leistungen entsprechend § 6 AsylbLG. Vorhandenes Einkommen und Vermögen sind aufzubrauchen, § 7 Abs. 1 S. 1 AsylbLG.
a) Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG
Die Grundleistungen sind entsprechend § 3 AsylbLG für die Deckung des notwendigen Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheit- und Körperpflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts vorgesehen. Die Leistungen sollen bei einer Aufnahme in einer Aufnahmeeinrichtung als Sachleistungen erbracht werden, § 3 Abs. 1 S. 2 AsylbLG. Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen sollen Geldleistungen gewährt werden, § 3 Abs. 2 S. 1 AsylbLG. Die Höhe der Leistungen für die zuerst genannte Gruppe der in einer Aufnahmeeinrichtung untergebrachten Berechtigten wird in § 3 Abs. 1 AsylbLG sowie in § 3 Abs. 2 Asylbewerberleistungsgesetz für außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung untergebrachten Berechtigten geregelt.
b) Krankheits- und Schwangerschaftsleistungen
Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind weder gesetzlich nach § 5 SGB V noch privat nach § 193 Abs. 3 VVG pflichtversichert. Bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen werden die zu ihrer Behandlung erforderlichen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln gewährt, § 4 Abs. 1 AsylbLG.
c) Sonstige Leistungen
Sonstige Leistungen gemäß § 6 AsylbLG stehen im Ermessen der zuständigen Behörde.
d) Einkommen und Vermögen
Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, sind von den Leistungsberechtigten aufzubrauchen. Anders als im Bereich des SGB II und des SGB XII wird ein Schonvermögen nicht bzw. nur in Höhe von 200,00 € berücksichtigt (vgl. § 7 Abs. 5 S. 1 AsylbLG). Ferner bleiben Vermögensgegenstände außer Betracht, die zur Aufnahme oder zur Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind (vgl. § 7 Abs. 5 S. 2 AsylbLG).
2. Berechtigte mit Anspruchseinschränkung
Leistungsberechtigte mit Duldung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG) oder vollziehbar Ausreisepflichtige (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG) und ihre Familienangehörigen (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG) erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar ist, § 1a Abs. 1 AsylbLG.
unabweisbar gebotene Hilfe
Die unabweisbar gebotene Hilfe wird in der Regel in den Grundleistungen gemäß § 3 AsylbLG mit Ausnahme des Geldbetrages zur Deckung persönlicher Bedürfnisse, der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft sowie in der Übernahme der Kosten einer akuten Krankheit gesehen.
Das Bundessozialgericht hat zu den „unabweisbar gebotenen Leistungen“ Folgendes ausgeführt (vgl. BSG, 12. Mai 2017 – B 7 AY 1/16 R):
…
[21] Inhalt und Umfang des unabweisbar Gebotenen sind durch den zuständigen Leistungsträger anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls allein bedarfsorientiert festzulegen (vgl zu § 1a AsylbLG in der nunmehr geltenden Fassung auch BT-Drucks 18/8615 S 35). Dabei stellt das Tatbestandsmerkmal des unabweisbar Gebotenen einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Eine generalisierende, auf typische Bedarfslagen abstellende Bestimmung eingeschränkter Leistungsansprüche ist im Anwendungsbereich von § 1a AsylbLG von vornherein unzulässig (vgl. bereits BSGE 114, 302 ff RdNr 23 = SozR 4-3520 § 1a Nr 1).
[22] Nach Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck der Vorschrift und ihrem eindeutigen Wortlaut ist das so beschriebene Leistungsniveau nicht mit dem in § 3 AsylbLG normierten und durch das BVerfG auch für den hier streitbefangenen Zeitraum mit Gesetzeskraft auf bestimmte Mindestbeträge angehobenen (typisierend festgelegten) Leistungsniveau zur Sicherung des physischen und soziokulturellen Existenzminimums gleichzusetzen. Der Gesetzgeber wollte ausdrücklich eine Einschränkung des nach § 3 AsylbLG grundsätzlich zustehenden Leistungsanspruchs normieren (vgl BT-Drucks 13/10155 S 5) und ist davon im Übrigen ausweislich der in den Neufassungen des AsylbLG nach der Entscheidung des BVerfG erweiterten Tatbestandsvarianten des § 1a AsylbLG (vgl § 1a AsylbLG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015 (BGBl I 1722) sowie in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31.7.2016 (BGBl I 1939)) auch zwischenzeitlich nicht abgerückt. Maßgeblich ist daher, welche Leistungen trotz leistungsmissbräuchlicher Verhinderung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen durch geduldete oder vollziehbar ausreisepflichtige Leistungsberechtigte als „unumgänglich“ und nicht mehr „von der Hand zu weisen“ anzusehen sind (vgl Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, aaO, RdNr 31 mwN; Petersen, ZFSH/SGB 2014, 669, 671 ff; mit ähnlichem Ansatz Wahrendorf, aaO, § 1a AsylbLG RdNr 44).
…
3. statistische Daten
Die folgenden Diagramme zeigen die Entwicklung der Leistungsempfänger nach dem AsylbLG und die jährlichen Ausgaben von 2006 bis 2018. Bis 2014 stieg die Zahl der Empfänger von Leistungen und die Zahllast nur leicht an. 2015 war eine starke Steigerung der Zahlen zu verzeichnen. Bis 2018 beruhigte sich die Lage wieder.



4. Häufige Fragen
- Wer ist vom AsylbLG erfasst?
- Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 AsylbLG, u. a. Asylsuchende, Geduldete und bestimmte humanitäre Fälle. Anerkannt Schutzberechtigte mit längerem Aufenthaltstitel fallen regelmäßig heraus.
- Welche Leistungen gibt es?
- Grundleistungen (§ 3 AsylbLG), Leistungen bei Krankheit/Schwangerschaft (§ 4 Abs. 1 AsylbLG) sowie sonstige Leistungen im Ermessen (§ 6 Abs. 1 AsylbLG).
- Wann werden Leistungen eingeschränkt?
- Bei Duldung oder vollziehbarer Ausreisepflicht können nur unabweisbar gebotene Leistungen zustehen (§ 1a Abs. 1 AsylbLG; vgl. BSG, B 7 AY 1/16 R).
5. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu AsylbLG, Leistungsumfang und Verhältnis zu SGB II/XII:
§ 1 AsylbLG · § 1a AsylbLG · § 3 AsylbLG · § 4 AsylbLG · § 6 AsylbLG · § 7 AsylbLG · § 23 SGB XII · § 7 SGB II.
Petra Linseisen says
Guten Tag,
ist es Asylbewerbern erlaubt Geld in ihr Heimatland zu senden?
Im vorliegenden Fall arbeitet der Familienvater in Vollzeit, der Rest wird mit Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz aufgefüllt. Nun werden diese Leistungen gesperrt da Geld ins Heimatland überwiesen wurde.
Man konnte uns allerdings keinen Paragraphen nennen.
Ist das rechtens?
Herzliche Grüße,
Petra
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
tatsächlich habe ich bisher keinen derart gestalteten Fall behandeln müssen: spontan würde ich aber antworten, dass die Leistungen nicht so ohne weiteres eingestellt werden dürfen. Allerdings kenne ich den konkreten Sachverhalt nicht … wurden hier immense Summen ins Ausland transferiert?
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Paul says
Hallo Herr Nippel,
vielen Dank für den ausführlichen Beitrag. Ich hätte eine kurze Nachfrage zu § 7 Abs. 1 AsylbLG. Wer wird in diesem Zusammenhang als Familienangehöriger definiert?
Es geht um folgenden Fall:
Die Großmutter meiner Frau ist aufgrund des Krieges in der Ukraine nach Berlin geflüchtet und wohnt aktuell bei ihrer Enkelin. Die Enkelin hat einen unbefristeten Aufenthaltstitel in Deutschland und arbeitet in Berlin. Hat die Großmutter trotzdem Recht auf Leistungen entsprechend AsylbLG oder werden ihr diese aufgrund von § 7 Abs. 1 verwehrt?
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.
Beste Grüße
Paul Hennig
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Paul,
§ 7 Abs. 1 S. 1 AsylbLG lautet:
Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, sind von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen.
Im Rückgriff auf § 82 Begriff des Einkommens
(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 82 Abs 1 SGB XII umfasst § 7 AsylbLG meines Erachtens alle dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen tatsächlich zufließenden Einkünfte in Geld oder Geldeswert.
Wenn die Tochter genügend Geld hat, liegt es nahe, auch deren Einkommen ggf. leistungsmindernd zum Ansatz zu bringen (vgl. Sie dazu den Beitrag Berücksichtigung von Einkommen in der Haushaltsgemeinschaft im SGB XII).
Ob es ggf. in Zuge der aktuellen Entwicklung zu dem Ukraine-Krieg „Übergangsregelungen“ oder „Sonderregelungen“ gibt, ist mir noch nicht bekannt. Möglicherweise sollte hier – zumindest vorübergehend – großzügig gehandelt werden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt