Die Bekanntgabe ist die Mitteilung des Verwaltungsakts an den Adressaten bzw. Betroffenen: Der Verwaltungsakt ist gemäß § 37 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 37 Abs. 1 S. 1 SGB X demjenigen bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist.
Ein Verwaltungsakt gilt nach dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, § 37 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes
(1) …
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 37 Abs. 2 S. 1 SGB X. Mit der Entscheidung des www.sozialgerichtsbarkeit.deBundessozialgerichts vom 6. Mai 2010 (B 14 AS 12/09 R) wurde die Vorschrift wie folgt ausgelegt:
[10] … Nach der gesetzlichen Zugangsfiktion ist allein maßgeblich der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post. (…) Der Tag, an dem der Brief zur Post gegeben wird, ist (…) nicht mitzuzählen. (…)
[11] … Die Fiktion der Bekanntgabe greift auch dann ein, wenn der für die Bekanntgabe maßgebende dritte Tag nach der Aufgabe zur Post auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt. …
1. Sonderfall: fehlender Postausgangsvermerk
Das VG Trier benennt einen Sonderfall, in dem die Zugangsfiktion nicht greift (VG Trier, vom 14. April 2011 (2 K 1082/10.TR). Sie fordert von der ausstellenden Behörde einen Postausgangsvermerk (der also in der Regel in der Behördenakte bzw. in einem Postausgangsbuch enthalten sein sollte, s. o. VG Trier). Fehlt der Postausgangsvermerk, kommt auch ein späterer Zugang in Betracht:
Die Klage ist insgesamt zulässig. Entgegen der Auffassung im Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses bei der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich vom 20. August 2010 ist im vorliegenden Verfahren nicht davon auszugehen, dass der Widerspruch der Klägerin vom 13. Oktober 2009 gegen den Bescheid des Beklagten vom 31. März 2009 verfristet eingelegt wurde. Gemäß § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, zwar mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Jedoch enthält der hier maßgebliche Bescheid des Beklagten vom 31. März 2009 (vgl. Bl. … f. der Verwaltungsakte) keinerlei Angaben dazu, wann dieser Bescheid zur Post gegeben wurde. Enthält eine Akte keinen Vermerk und liegt insoweit auch keine Glaubhaftmachung im Hinblick auf den Postabvermerk seitens der Beklagten vor, so tritt die Zugangsfiktion grundsätzlich nicht ein (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB-X Komm., 7. Aufl. 2010, Rdnr. 12 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). In diesen Fällen muss der Beklagte den Zugang nachweisen (Engelmann in von Wulffen a.a.0.). Da somit die Zugangsfiktion nicht eingreift und der Beklagte den Zugang des Bescheides auch nicht nachgewiesen hat, ist daher nicht davon auszugehen, dass der am 13. Oktober 2009 eingegangene Widerspruch als verfristet im Sinne des § 70 Abs. 1 VwGO zu werten ist.
2. Behauptung des Nichtzugangs eines mittels einfachen Briefs übersandten Verwaltungsaktes
Die gesetzliche Fiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X greift darüber hinaus nicht ein, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, § 37 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes
(2) … . Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB X.
Erforderlich ist für den Nachweis des späteren Zugangs, dass der Adressat plausibel darlegt, dass ihm der Verwaltungsakt nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.
Das schlichte Bestreiten des Adressaten, der Verwaltungsakt sei ihm nicht zugegangen, reicht allerdings nicht aus. Vielmehr muss der Adressat sein Vorbringen nach Lage des Einzelfalles substantiieren, dass zumindest ernsthaft Zweifel am Zugang begründet werden, etwa durch Darlegung eines atypischen Geschehensablaufs. Eines Nachweises durch den Adressaten bedarf es jedoch nicht. Der Zugang als solcher und der Zeitpunkt des Zugangs sind bei Zweifeln von der Behörde nachzuweisen, § 37 Abs. 2 S. 3 letzter Halbsatz SGB X. Die Regelung bedeutet, dass die gesetzliche Bekanntgabevermutung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X dann nicht eingreift. Die Behörde trägt dann das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs, wenn berechtigte Zweifel daran bestehen, dass im konkreten Fall die auf der Erfahrung des täglichen Lebens beruhende Vermutung, dass eine gewöhnliche Postsendung den Empfänger binnen weniger Tage erreicht, zutrifft. Die Beweislast der Behörde besteht sogar, wenn der Adressat des Verwaltungsakts seine Sorgfaltspflichten in Bezug auf den bekanntzugebenden Verwaltungsakt verletzt hat.
Insofern kann z. B. auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum „Nichtzugang“ eine Briefes verwiesen werden. Danach reicht sogar „einfaches Bestreiten“, da es im Regelfall schon aus logischen Gründen nicht möglich ist, näher darzulegen, ein per einfachem Brief übersandtes Schreiben sei nicht zugegangen (vgl. Entscheidung vom 26. Juli 2007, B 13 R 4/06 R):
[19] Auch wenn nach der Lebenserfahrung die weitaus größte Anzahl der abgesandten Briefe beim Empfänger ankommt, ist damit lediglich eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit für den Zugang einer Briefsendung gegeben. Der Anscheinsbeweis ist aber nicht schon dann geführt, wenn zwei verschiedene Möglichkeiten eines Geschehensablaufs in Betracht zu ziehen sind, von denen die eine wahrscheinlicher ist als die andere (BGH vom 27.5.1957, BGHZ 24, 308, 312). Denn die volle Überzeugung des Gerichts vom Zugang lässt sich auf eine – wenn auch große – Wahrscheinlichkeit nicht gründen (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71).
[20] Diese Regeln gelten unabhängig davon, ob das übersandte Schriftstück einen Verwaltungsakt enthält und somit die Bestimmung des § 37 Abs 2 SGB X (oder eine der Parallelvorschriften des § 41 Abs 2 Verwaltungsverfahrensgesetz bzw § 122 Abs 2 Abgabenordnung) unmittelbar anwendbar ist. Hiernach gilt die Fiktion, ein schriftlicher Verwaltungsakt sei am dritten Tage nach der Abgabe zur Post bekannt gegeben, nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und seinen Zeitpunkt nachzuweisen. In diesem Sinne aber bestehen schon dann „Zweifel“, wenn der Adressat den Zugang – schlicht – bestreitet (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71) . Im Ergebnis nichts anderes gilt jedoch in anderen Rechtsbereichen; auch im Zivilrecht zB hat der Erklärende (bzw jener, der sich hierauf beruft) den Zugang einer Erklärung zu beweisen (so zB zur Mängelanzeige nach § 377 Handelsgesetzbuch: BGH vom 13.5.1987, BGHZ 101, 49, 55; dort auch dazu, dass eine Mängel“anzeige“ empfangsbedürftig ist).
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