Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

  • Startseite
  • Kontakt

Die einstweilige Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG

vom 26. November 2018, zuletzt geändert am 6. Oktober 2019

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund bestehen. Grundsätzlich darf die Hauptsache durch die Entscheidung nicht vorweggenommen werden.

1. Anordnungsanspruch

Es muss ein materiell-rechtlicher Anspruch begründet sein, auf den das Begehren des Antragstellers gestützt werden kann.
 
Bei Ermessensentscheidungen muss eine Reduzierung des Ermessens auf Null gegeben sein.

2. Anordnungsgrund

Der Anordnungsgrund betrifft nach allgemeiner Auffassung die Frage der Eilbedürftigkeit bzw. Dringlichkeit. Die Eilbedürftigkeit ist gegeben, wenn dem Antragsteller die Änderung des bisherigen Zustandes (§ 86b
 
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage …
 
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetautritt)
§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG
) oder dessen Aufrechterhaltung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) in der Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann.

roter Würfel mit Paragrafenzeichen

Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache unter Berücksichtigung der drohenden Rechtsverletzungen zumutbar ist. Ein eiliges Regelungsbedürfnis sollte glaubhaft gemacht werden. Folgende Erwägungen werden zum Anordnungsgrund getroffen:

  • Es muss eine Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (vgl. Bild: zum UrteilLink: www.lareda.hessenrecht.hessen.deLandessozialgericht Hessen vom 18. März 2011, L 7 AS 687/10 B ER, Rdnr. 19).

     

    Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert.

  •  

  • Selbsthilfemöglichkeiten müssen fehlen. So kann zum Beispiel der Einsatz eigenen Vermögens gefordert werden (vgl. dazu eine Entscheidung des Bild: zum UrteilLink: www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.deLandessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 28. März 2011, L 5 KR 20/11 B ER, Rdnr. 11).

     

    Der Einsatz des Vermögens ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch zumutbar. Denn für den Fall, dass sie im Hauptsacheverfahren unterliegt, wäre sie verpflichtet, die im Rahmen der Anordnung von der Antragsgegnerin vorgestreckten Zahlungen dieser zu erstatten … .

  •  

  • Der Anordnungsgrund ist die glaubhaft gemachte Eilbedürftigkeit. Für zurückliegende Zeiträume ist die Annahme einer Eilbedürftigkeit problematisch (Bild: zum UrteilLink: www.sozialgerichtsbarkeit.deLandessozialgericht Bayern vom 17. Januar 2011, L 11 AS 889/10):

     

    Charakteristisch ist daher für den Anordnungsgrund die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur in die Zukunft wirkt. Es ist rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen werden kann; diese überholt sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung ist daher nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht wird, und ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft noch fortwirkt oder ein Anspruch eindeutig besteht.

  •  

  • Auch für die Zukunft darf ein Anordnungsgrund nur bis zum Zeitpunkt einer möglichen Neuentscheidung der Behörde geltend gemacht werden (Bild: zum UrteilLink: www.openjur.deOVG Münster vom 12. April 2001, 16 B 269/01, Rdnr. 9).

     

    Für die Möglichkeit, entsprechend der ständigen Rechtsprechungspraxis im Land Nordrhein-Westfalen positive Eilentscheidungen im Sozialhilferecht auf die Zeit bis zum Ende des Entscheidungsmonats zu erstrecken, lassen sich Erwägungen der Rechtsschutzeffizienz anführen; die behördliche Praxis, in Fällen längerfristiger Sozialhilfebedürftigkeit in aller Regel vorab monatsweise die benötigte Hilfe zu gewähren, beruht im Übrigen auf demselben Prinzip.

 

3. keine Vorwegnahme der Hauptsache

Grundsätzlich darf mit der Entscheidung über die Hauptsache die Angelegenheit nicht vorweggenommen werden.

Eine „echte“ Vorwegnahme liegt aber nur vor, wenn die Maßnahme nachträglich tatsächlich nicht mehr für die Vergangenheit korrigiert werden kann. Zu beachten ist, dass der Grundsatz des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache jedenfalls dann nicht gilt, wenn es um die Abwehr unzumutbarer, anders nicht abwendbarer Nachteile geht.


 
 

mehr zum Thema:


  • Allgemeines Sozialrecht in Stichworten
    Allgemeines Sozialrecht - Übersicht

    1. SGB I – Allgemeiner Teil ... | 2. SGB X – Sozialver­waltungs­ver­fahren ... | 3. Sozialgerichts­ver­fahren (SGG) ... | 4. Gebühren und Kosten im Sozialrecht ... | 5. diverse Gebiet ... | mehr

  • Buch Sozialrecht mit Paragrafenzeichen
    Einstweiliger Rechtsschutz (Eilrechtsschutz) im sozialgerichtlichen Verfahren

    Der einstweilige Rechtsschutz hat in SGB-Verfahren eine besondere Bedeutung, da nicht selten ein Abwarten einer Entscheidung … | mehr

  • Gerichtssymbol, Tempel
    Der richtige Antrag beim Eilrechtsschutz in Anfechtungssachen und in Vornahmesachen

    Aus § 86b einstweilige Maßnahmen  (1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den … | mehr

  • Widerspruch in Stichworten
    Wirkung des Widerspruchs und der Klage gegen einen Änderungsbescheid im Sozialrecht, §§ 86 a und b SGG

    Widerspruch und Anfechtungsklage haben auch im Sozialrecht aufschiebende Wirkung, § 86 a aufschiebende Wirkung (1) Widerspruch und … | mehr

  • Sozialrecht in Stichworten
    Stichwortverzeichnis - Sozialrecht in Stichworten

    Mit einem Klick auf das Stichwort oder den Paragrafen gelangen Sie zu einer Übersicht der Beiträge die das Stichwort enthalten ... | mehr


 
Frage

Schreiben Sie einen Kommentar,
fragen/antworten Sie! Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Nutzen Sie einen "Spitznamen", wenn Ihr Name nicht genannt werden soll. Erforderliche Felder sind mit * markiert.
 
Bitte stellen Sie eine Frage in dem richtigen Zusammenhang! Verschaffen Sie sich bitte durch das Stichwortverzeichnis oder durch die Übersichtsseiten einen Überblick, ob die Frage bereits in einem anderen Beitrag angesprochen wird.

Allgemeines Sozialrecht in Stichworten
 
Allgemeines Sozialrecht – Übersicht 
 
1. SGB I – Allgemeiner Teil
2. SGB X – Sozialver­waltungs­ver­fahren
3. Sozialgerichts­ver­fahren (SGG)
4. Gebühren und Kosten im Sozialrecht
5. diverse Gebiete
| mehr 
Rechtsanwalt Sönke Nippel
Kippdorfstraße 6-24
42857 Remscheid
 
Telefon: 0 21 91 / 46 00 876

ZUM IMPRESSUM
 
ZUR DATENSCHUTZERKLÄRUNG
▲
Diese Seite nutzt "Cookies". Wenn Sie die Webseiten weiter nutzen, stimmen Sie dadurch der Verwendung von Cookies zu. Möglichkeiten dies zu verhindern finden Sie hier: Datenschutzerklärung