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Erwerbsminderungsrente bei gehäufter Arbeitsunfähigkeit

03.07.2013, aktualisiert am 19.01.2023

VG Wort - ZählpixelDas Bundessozialgericht beschäftigte sich in einem Beschluss vom 31. Oktober 2012 zu einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erneut mit der Frage, wann eine gehäufte Arbeitsunfähigkeit Zweifel an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt begründet und eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss (Bild: zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deBundessozialgericht, Urteil vom 31. Oktober 2012, B 13 R 107/12):

Urteil des BSG vom 31. Oktober 2012, B 13 R 107/12, Rdnrn. 15 und 16

[Rdnr. 15] Für die Frage der Erwerbsminderung kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht darauf an, ob aufgrund von „Krankheit oder Behinderung“ Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit besteht, entscheidend ist, dass die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt wird. Deshalb ist ein Versicherter, der noch eine Erwerbstätigkeit ausüben kann, nicht allein schon deshalb erwerbsgemindert, weil er aufgrund einer wie auch immer verursachten Gesundheitsstörung häufiger arbeitsunfähig ist. Allerdings hat das BSG entschieden, dass das Risiko einer häufigen Arbeitsunfähigkeit dann zu einer Erwerbsminderung führen kann, wenn feststeht, dass die (vollständige) Arbeitsunfähigkeit so häufig auftritt, dass die während eines Arbeitsjahres zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht mehr den Mindestanforderungen entsprechen, die ein „vernünftig und billig denkender Arbeitgeber“ zu stellen berechtigt ist, sodass eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung eines solchen Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt praktisch ausgeschlossen ist. Geklärt hat das BSG, dass diese Mindestanforderungen jedenfalls dann nicht mehr als erfüllt anzusehen sind, wenn der Versicherte die Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen (sechs Monate bzw. die Hälfte) im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen kann.

[Rdnr. 16] Hieraus ist jedoch nicht zu schließen, dass ein Versicherter, dessen krankheitsbedingte Zeiten der Arbeitsunfähigkeit den Zeitraum von sechs Monaten/Jahr (voraussichtlich) nicht überschreiten, deswegen nicht (voll) erwerbsgemindert sein kann. Denn auch dann können „häufige“ Arbeitsunfähigkeiten vorliegen. Da dem Arbeitsverhältnis ein Dauerelement innewohnt, wird die erforderliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers grundsätzlich an jedem Tag der Arbeitswoche erwartet. In diesem Zusammenhang hat der Senat in der vorgenannten Entscheidung bereits darauf hingewiesen, dass häufige, zeitlich nicht genau festliegende (nicht „einplanbare“), mit einer vollständigen Leistungsunfähigkeit verbundene Arbeitsunfähigkeitszeiten den „unüblichen Arbeitsbedingungen“ zuzuordnen sind und Gesundheitsstörungen mit entsprechenden Arbeitsunfähigkeiten schwere spezifische Leistungseinschränkungen darstellen können.

Das BSG führte bereits in einer weiteren Entscheidungen aus dem Jahr 2011 aus, dass bei ernsthaften Zweifeln an der Einsetzbarkeit des Versicherten in einem Betrieb eine Verweisungstätigkeit zu benennen ist (Bild: in neuem Tab öffnen - zum Urteilwww.sozialgerichtsbarkeit.deBSG vom 19. Oktober 2011, B 13 R 78/09 R):

Urteil des BSG vom 19. Oktober 2011, B 13 R 78/09 R, Rdnrn. 33 ff.

[Rdnr. 33] e) Es besteht jedoch dann die Pflicht zur Benennung zumindest einer Verweisungstätigkeit, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die einer Konkretisierung schwer zugänglich sind. Eine vernünftige Handhabung dieser weiten Begriffe sichert, dass immer dann, wenn „ernsthafte Zweifel“ bestehen, ob der Versicherte „in einem Betrieb einsetzbar“ ist (oder ein Katalogfall vorliegen könnte), die konkrete Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit erfolgen muss, die nicht nur zu dem Vergleich von Leistungsfähigkeit und Anforderungsprofil führt, sondern auch zu der individuellen Prüfung, ob dem Versicherten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist oder nicht.

[Rdnr. 34] aa) Insofern richtet sich der hierbei anzustellende Prüfungs- und Begründungsaufwand nach den konkreten Umständen des Einzelfalls; insbesondere hängt er von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss der Rentenversicherungsträger bzw. das Tatsachengericht die Entscheidung zur Frage einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung begründen. Erforderlich ist eine Untersuchung, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind. Diesen aufgezeigten abstrakten Maßstäben ist allerdings Kritik entgegengesetzt worden im Hinblick auf die Praktikabilität dieser Rechtsprechung und den damit verbundenen Begründungsaufwand für die Rentenversicherungsträger und die Instanzgerichte.

[Rdnr. 35] bb) Aus diesem Grund weist der Senat erneut darauf hin, dass sich aus Zweckmäßigkeits- und aus Effektivitätsgründen die rentenrechtliche Prüfung in zwei Schritten anbietet:

[Rdnr. 36] (1) Bei Versicherten, die trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten können, ist die Einsatzfähigkeit des Versicherten in einem Betrieb nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen (noch kommt die Möglichkeit einer praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts in Betracht). Auf der ersten Prüfstufe ist daher festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten (wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.) erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden. In diesem Fall genügt die Benennung von „Arbeitsfeldern“, von „Tätigkeiten der Art nach“ oder von „geeigneten Tätigkeitsfeldern“, die der Versicherte ausfüllen könnte. Damit können „ernste Zweifel“ an der oben beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden.

[Rdnr. 37] (2) Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen, in denen es Arbeitsplätze gibt, die der Versicherte unter Berücksichtigung seines Restleistungsvermögens noch ausfüllen kann und insofern „ernste Zweifel“ an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, stellt sich die Prüfpflicht, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Verbleibt es bei den ernsten Zweifeln an der Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der individuellen Leistungseinschränkungen, ist mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zum Ausschluss der Voraussetzungen des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung erforderlich.

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