Die Mittelgebühr ist ein zentrales Instrument der Rechtsanwaltsvergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Erwähnt wird der Begriff allerdings weder im RVG selbst noch in den Anlagen zum RVG.
Die Mittelgebühr bezeichnet den rechnerischen Mittelwert innerhalb eines Gebührenrahmens und dient als Ausgangspunkt für die konkrete Bemessung der anwaltlichen Vergütung.
1. Grundlage & Berechnung
Die meisten sozialrechtlichen Gebührentatbestände des Vergütungsverzeichnisses (VV RVG) sind als Betragsrahmengebühren ausgestaltet. Das Gesetz legt also keinen festen Betrag fest, sondern eine Spanne von Mindest- und Höchstgebühr.
Die Mittelgebühr ergibt sich durch Addition von Mindest- und Höchstgebühr und anschließende Halbierung.
Beispiel: Nr. 2302 VV-RVG sieht eine Spanne von 65,00 € bis 837,00 € vor – die Mittelgebühr beträgt 451,00 €.
2. Funktion im System
Die Mittelgebühr ist der Regel-Ausgangspunkt der Gebührenbemessung. Sie spiegelt den „typischen“ Durchschnittsfall wider. Der Rechtsanwalt kann jedoch nach § 14 RVG nach oben oder unten abweichen, wenn dies nach Umfang, Schwierigkeit, Bedeutung, Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Mandanten oder nach dem Haftungsrisiko angezeigt ist.
3. Einschränkungen („Kappungsgrenzen“)
Nicht jeder Rahmen erlaubt ein unbeschränktes Anheben bis zur Mittelgebühr. Gerade im Sozialrecht existieren Kappungsgrenzen, die eine Überschreitung nur bei „umfangreicher oder schwieriger Tätigkeit“ gestatten. So bestimmt etwa Nr. 2302 VV-RVG, dass mehr als 391,00 € nur verlangt werden dürfen, wenn die Tätigkeit besonders aufwendig war.
Die Mittelgebühr ist also keine Garantie, sondern ein Prüfmaßstab.
4. Praxisbedeutung
In der Praxis orientieren sich Gerichte und Rechtspfleger regelmäßig an der Mittelgebühr – sofern keine Umstände für eine Abweichung vorgetragen werden.
Das bedeutet: Wer eine höhere als die Mittelgebühr beanspruchen will, muss dies substantiiert begründen (z. B. Aktenumfang, Zahl der Schriftsätze, besondere Rechtsfragen).
Umgekehrt darf die Gebühr nicht ohne sachlichen Grund unterhalb der Mittelgebühr angesetzt werden.
5. Verbindung mit anderen Vorschriften
Die Mittelgebühr ist eng mit den Begriffen Betragsrahmengebühr und § 14 RVG (Bemessung der Gebühr) verbunden.
Sie wird bei nahezu allen Kerngebühren (Geschäftsgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Beratungsgebühr, Einigungsgebühr) als Orientierungsgröße benötigt. Auch bei Erhöhungen nach Nr. 1008 VV-RVG (mehrere Auftraggeber) ist sie Grundlage der Berechnung.
Fazit: Die Mittelgebühr ist kein starres Ergebnis, sondern ein dynamischer Orientierungspunkt.
Sie bildet den Ausgangswert, der in jedem Fall auf seine Angemessenheit überprüft und ggf. angepasst werden muss. Insbesondere im Sozialrecht entscheidet eine saubere Begründung über die Durchsetzbarkeit einer über die Mittelgebühr hinausgehenden Vergütung.
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Rechtsanwaltsgebühren im Sozialrecht, Betragsrahmengebühren und zu den Gerichtskosten:



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