Was ist eine Rechtsbehelfsbelehrung einfach erklärt?
Die Rechtsbehelfsbelehrung informiert über die Möglichkeit, gegen einen Verwaltungsakt oder eine gerichtliche Entscheidung vorzugehen. Sie ist Voraussetzung für die Einhaltung von Fristen.
- Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist Pflicht, wenn ein belastender Verwaltungsakt schriftlich erlassen oder schriftlich bestätigt wird.
- Sie muss Stelle (Behörde/Gericht mit vollständiger Anschrift), Frist und Form des Rechtsbehelfs nennen.
- Fehlt sie oder ist sie fehlerhaft, gilt regelmäßig eine Jahresfrist (§ 66 SGG).
- Rechtsgrundlage für die Mindestangaben ist § 36 SGB X.
1. Form der Belehrung
Die Belehrung hat in schriftlicher Form zu erfolgen. Sie muss nicht zwingend mit dem schriftlichen oder elektronischen Bescheid verbunden sein. Eine separate Anlage ist ausreichend.
2. Angabe der Behörde oder des Gerichts
Die Belehrung muss die Stelle benennen, bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist (Behörde oder Gericht) – mit vollständigem Namen und Anschrift (Ort, Straße, Hausnummer). Die bloße Angabe eines Postschließfaches genügt nicht.
Ein Verweis „auf eine oben genannte Stelle“ ist nur ausreichend, wenn eindeutig ist, welche Stelle gemeint ist. Das fehlt, wenn im Text mehrere Stellen genannt werden.
3. Frist
Aus der Belehrung muss die einzuhaltende Frist hervorgehen. Die Widerspruchsfrist beträgt nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG grundsätzlich einen Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes.
Eines Hinweises auf den konkreten Fristbeginn bedarf es nicht. Ausreichend ist „nach Bekanntgabe“ – sinnvollerweise ergänzt um die Zugangsfiktion nach § 37 SGB X („am dritten Tag nach Aufgabe zur Post“).
Eine Belehrung, die bei einfacher Briefbeförderung auf „Zustellung“ abstellt, ist nicht automatisch unrichtig. Die Frist beginnt dann jedoch erst, wenn die Voraussetzungen einer (förmlichen) Zustellung tatsächlich vorliegen. Vgl. dazu u. a. das Sächsische OVG, www.justiz.sachsen.deUrteil vom 26. März 2003 – 5 B 638/02.
Formulierungen wie „… kann innerhalb eines Monats nach Zugang Widerspruch eingelegt werden …“ sind bei einfacher Bekanntgabe missverständlich. Die Frist beginnt dann nicht zu laufen, solange kein (förmlicher) Zugang i.S. des Zustellungsrechts nachgewiesen ist. Ein Hinweis auf die Fiktion des Dreitageszeitraums (§ 37 SGB X) sollte regelmäßig enthalten sein.
4. Belehrung über die Form des Widerspruchs
Nach § 36 SGB X ist über die Form des Rechtsbehelfs zu belehren. Da der Widerspruch nach § 84 Abs. 1 S. 1 SGG auch zur Niederschrift erhoben werden kann, gehört der Hinweis hierauf in die Belehrung.
5. Folgen der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung
Ist eine Belehrung unterblieben oder unrichtig, führt das nicht zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern zur Verlängerung der Frist auf ein Jahr (§ 66 Abs. 2 SGG). Dabei kommt es nicht darauf an, ob gerade durch die Unrichtigkeit die Frist versäumt wurde. Die Jahresfrist gilt auch, wenn der Beteiligte die richtige Frist kennt oder aus anderen Gründen nicht fristgerecht gehandelt hat.
6. Abgrenzung Rechtsbehelf / Rechtsmittel
Rechtsbehelf ist jedes gesetzlich zugelassene Begehren zur Überprüfung einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung (z. B. Widerspruch, Einspruch, Erinnerung, Klage, Berufung). Rechtsmittel sind nur diejenigen Rechtsbehelfe, die eine gerichtliche Entscheidung durch höhere Instanz prüfen lassen (z. B. Berufung, Revision, Beschwerde, Wiederaufnahme).
Nach § 136 Abs. 1 Nr. 7 SGG ist die Rechtsmittelbelehrung Bestandteil des Urteils; deren Inhalt richtet sich wiederum nach § 66 SGG.
7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
weiterführende Beiträge zu Bekanntgabe des Verwaltungsakts, zur Wiedereinsetzung, zur Aufhebung und zum Widerspruchsverfahren:
§ 36 SGB X · § 37 SGB X ·
§ 66 SGG · § 84 SGG · § 136 SGG · § 183 SGG
Klaus Rambacher says
Von der Widerspruchsstelle der KKH erhielt ich mit Datum 28.04.2021 zusammen mit einem ablehnenden Bescheid die folgende wörtliche Rechtsmittelbelehrung:
„Wenn Sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides beim Sozialgericht Hannover, Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover, schriftlich, zur Niederschrift oder in elektronischer Firm Klage erheben. Die Einlegung in elektronischer Form kann an das im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) unter der Adresse https://egvp.justiz.de/ eingerichtete Postfach erfolgen“.
Unter der Webadresse https://egvp.justiz.de/ erscheint eine Webseite, auf der ich KEINE Erklärung der am PC auszuführenden Schritte finde, die ich ausführen muss, um meine Klageschrift elektronisch an das Sozialgericht zu senden. Der in der Webseite enthaltene Link „Hier finden Sie eine Stellungnahme zu Fragen, die im Kontext der Diskussion um das beA gestellt werden“ behandelt die IT-Sicherheit der EGVP-Infrastruktur, die mich überhaupt nicht interessiert, und liefert mir ebenfalls nicht die am PC auszuführenden Schritte für die elektronische Zustellung der Klageschrift.
Ich bin der Ansicht, dass die elektronische Zustellung der Klageschrift so erklärt werden muss, dass ein durchschnittlicher 88 Jahre alter Bürger (der bin ich) in der Lage ist, die elektronische Zustellung der Klageschrift durchzuführen. Ich sehe nicht nur einen Verstoß gegen § 58 Abs. 2 VwGO, der die in Kürze ablaufende 1-monatige Frist aufhebt und auf 1 Jahr verlängert. Ich sehe auch einen Verstoß gegen die leider rechtlich nicht einklagbare Aufgabe der Verwaltung, die abstrakt formulierten Gesetzesregelungen auf einen konkreten Lebenssachverhalt anzuwenden.
Insbesondere sehe ich in meinem Fall einen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 AGG in Form der Altersdiskriminierung.
Meine Beschwerde bei der Widerspruchstelle der KKH wurde lakonisch beantwortet mit „Die Angabe, dass die Klage auch in elektronischer Form eingelegt werden kann, genügt den derzeitigen Anforderungen“. Mit dieser Belehrung bin ich genau so „klug“ wie vorher.
Was kann ich unternehmen, um von der Widerspruchstelle der KKH eine für den Durchschnittsbürger verständliche (ausführliche) Erklärung der elektronischen Zustellung zu erhalten?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Rambacher,
Sie werfen da eine Frage auf, an die ich mich nicht ganz „herantraue“, die aber für Sie „eigentlich“ nicht von sehr großem Interesse sein dürfte:
Sie sollten jedenfalls Klage einlegen, wenn Sie sich materiell gegen die Entscheidungen zur Wehr setzen wollen. Soweit für Sie die elektronische Klageerhebung über EGVP nicht möglich ist, sollten Sie dies schriftlich oder zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle des Gerichts gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid tun. Ich gehe davon aus, dass eine „elektronische Klageerhebung“ für Sie nicht möglich ist. Die Form wird dann wahrscheinlich nicht gewahrt.
Anwälte haben inzwischen ein „besonderes elektronisches Anwaltspostfach“ (beA). Dazu ist allerdings eine Verschlüsselung mittels einer recht teuren Signaturkarte (evtl. ist zukünftig auch Personalausweis als Signaturkarte einsetzbar) mit Kartenleser und zusätzlich eine Anmeldung im System erforderlich. Ob Sie diese Voraussetzungen erfüllen können, bezweifele ich.
Ob schließlich die von der Krankenkasse gewählte Rechtsbehelfsbelehrung unverständlich ist und dann evtl. wegen § 66 Abs. 2 SGG eine Jahresfrist in Gang setzt, kann ich aber nicht wirklich beantworten. Dies wäre evtl. ein „interessanter Fall“, den Sie aber durch rechtzeitige Einlegung einer Klage vermeiden sollten.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt