Ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom Jobcenter kann schnell große Sorgen bereiten, denn er fordert die Rückzahlung bereits erhaltener Bürgergeld-Leistungen. Doch solche Entscheidungen sind nicht immer korrekt und lassen sich oft anfechten. Eine genaue Überprüfung und ein fundierter Widerspruch lohnt sich fast immer. Diese Anleitung hilft Ihnen, die notwendigen Schritte zu verstehen und sich gegen unrechtmäßige Forderungen des Jobcenters effektiv zu wehren.
Schritt 1: Bescheid sorgfältig prüfen und Fristen penibel einhalten
Nehmen Sie sich zunächst einmal Zeit und lesen Sie den Bescheid bzw. das Schreiben des Jobcenters genauestens durch. Beachten Sie: „Eigentlich“ muss vor Erlass eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides eine Anhörung erfolgen. Versuchen Sie schon dort, die geeigneten Argumente gegen eine Aufhebung und Erstattung vorzutragen.
Bitte beachten Sie, dass eine Aufhebung und eine Erstattung in vielen Fällen durch separate Bescheide erfolgt und dass beide Bescheide dann angegriffen werden müssen!
Ein Erstattungsbescheid kann auch auf einem endgültigen Bewilligungsbescheid (nach einem vorläufigen Bewilligungsbescheid) beruhen. Dies geschieht regelmäßig bei unerwartet hohem Einkommen. Schon dieser endgültige Bewilligungsbescheid muss separat angegriffen werden!
- Datum des Bescheids bzw. der Bescheide: Notieren Sie das Ausstellungsdatum. Es ist die Basis für die Fristberechnung.
- Widerspruchsfrist: Im Bescheid muss eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten sein. Sie gibt Ihnen in der Regel einen Monat Zeit, um Widerspruch einzulegen. Die Frist beginnt drei Tage nach dem Poststempel des Bescheids (es sei denn, der Bescheid ist später eingegangen – bewahren Sie den Umschlag auf!). Fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung ganz oder ist sie fehlerhaft, verlängert sich die Frist auf ein Jahr.
- Begründung des Jobcenters: Verstehen Sie genau, warum das Jobcenter die Leistungen aufhebt und zurückfordert? Wurden Einkommen oder Vermögen falsch angerechnet? Haben sich Ihre Verhältnisse geändert und dies wurde nicht rechtzeitig oder korrekt berücksichtigt? Fehlen dem Jobcenter Informationen?
- Betrag und Zeitraum: Überprüfen Sie den genauen Betrag und den Zeitraum, für den die Rückzahlung gefordert wird. Stimmen diese Angaben mit Ihrer Kenntnis überein?
Schritt 2: Alle relevanten Unterlagen und Beweismittel sammeln
Sammeln Sie alles, was Ihre Sichtweise unterstützen kann. Beweismittel sind der Schlüssel zum Erfolg. Sorgen Sie hier für Ordnung! Legen Sie keine „Loseblattsammlung“ an. Nutzen Sie möglichst einen Ordner mit beschrifteten Trennpappen und ordnen Sie die Unterlagen chronologisch.
- Alle Bürgergeld-Bescheide: Ihre Bewilligungsbescheide, Änderungsbescheide und frühere Aufhebungsbescheide.
- Kommunikation mit dem Jobcenter: Kopien von Briefen, E-Mails, Fax-Sendeberichte, Aktenvermerke von Telefonaten (Datum, Uhrzeit, Gesprächspartner, Inhalt).
- Einkommensnachweise: Gehaltsabrechnungen, Rentenbescheide, Bescheide über Kindergeld, Elterngeld, Unterhalt etc. – aus dem gesamten relevanten Zeitraum, für den das Jobcenter Leistungen zurückfordert.
- Kontoauszüge: Diese können den Zufluss von Einkommen oder den Verbrauch von Vermögen belegen oder widerlegen.
- Nachweise über Ausgaben/Freibeträge: Belege für Versicherungen, Fahrtkosten, Kinderbetreuung, Beiträge zur Altersvorsorge – alles, was als Freibetrag hätte berücksichtigt werden müssen.
- Änderungsmitteilungen: Haben Sie dem Jobcenter Änderungen Ihrer Verhältnisse (z.B. Aufnahme eines Minijobs, Erbschaft, Umzug) mitgeteilt? Dann suchen Sie die Bestätigungen oder Kopien dieser Mitteilungen.
Schritt 3: Den Widerspruch schriftlich verfassen
Der Widerspruch muss schriftlich erfolgen. Eine Mail gnügt nicht!
Um den Zugang zu beweisen, empfiehlt sich ein Einschreiben mit Rückschein. Alternativ können Sie den Widerspruch persönlich beim Jobcenter abgeben und sich den Empfang auf Ihrer Kopie quittieren lassen (mit Datum und Unterschrift/Stempel). Sicher ist auch, den Widerspruch in den meist vorhandenen Nachtbriefkasten einzulegen und den Einwurf auf der Kopie des Widerspruchsschreibens mit Datum und Uhrzeit zu vermerken. Wenn Sie das Widerspruchsschreiben in Gegenwart eines Zeugen einlegen, können Sie auch Zeugenbeweis antreten. Auch der Versand per einfacher Post oder mit Einwurfeinschreiben ist möglich, bietet aber weniger Rechtssicherheit.
Ihr Widerspruchsschreiben sollte folgende Punkte enthalten:
- Ihre vollständige Adresse und Kontaktdaten (Name, Adresse, Telefon, E-Mail).
- Datum des Schreibens.
- Vollständige Adresse des Jobcenters, das den Bescheid erlassen hat.
- Betreffzeile: Möglichst präzise formulieren! Achten Sie darauf, keinen Bescheid zu „vergessen“.
- „Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom [Datum des Bescheids] – Bedarfsgemeinschaftsnummer (BG-Nummer): [Ihre BG-Nummer]“
- „Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid X [Datum des Bescheids] und gegen den Erstattungsbescheid Y vom [Datum des Bescheids] – Bedarfsgemeinschaftsnummer (BG-Nummer): [Ihre BG-Nummer]“
- „Widerspruch gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom [Datum des Bescheids] – Bedarfsgemeinschaftsnummer (BG-Nummer): [Ihre BG-Nummer]“
- Anrede: „Sehr geehrte Damen und Herren,“
- Klarer Widerspruchstext: Formulieren Sie unmissverständlich, dass Sie Widerspruch einlegen:
- „Hiermit lege ich Widerspruch gegen Ihren Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom [Datum des Bescheids] mit der Bedarfsgemeinschaftsnummer [Ihre BG-Nummer] ein.“
- Begründung des Widerspruchs: Dies ist das Herzstück Ihres Schreibens. Erklären Sie detailliert, warum Sie den Bescheid für falsch halten. Seien Sie dabei so präzise wie möglich und beziehen Sie sich auf die von Ihnen gesammelten Beweismittel. Fügen Sie Kopien der Unterlagen (Beweismittel) dem Widerspruchsschreiben bei.
- Führen Sie an, welche Tatsachen falsch dargestellt wurden und/oder welche Unterlagen nicht berücksichtigt wurden.
- Nennen Sie ggf. die entsprechenden Paragraphen der Sozialgesetzbücher.
- Beispiel: „Die im Bescheid angeführte Anrechnung des Einkommens aus meiner geringfügigen Beschäftigung bei [Name des Arbeitgebers] vom [Datum] bis [Datum] ist fehlerhaft. Es wurde der Freibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II nicht oder nicht vollständig berücksichtigt, obwohl dieser nach meinen Berechnungen [konkrete Zahl] Euro betragen müsste. Dies geht aus den beigefügten Verdienstabrechnungen hervor.“
- Oder: „Die Annahme, ich hätte die Erbschaft in Höhe von [Betrag] Euro nicht gemeldet, ist nicht zutreffend. Ich habe dies bereits am [Datum der Meldung] schriftlich/telefonisch unter [Name des Sachbearbeiters, falls bekannt] mitgeteilt, was aus der beigefügten Kopie meines Schreibens/Aktenvermerks hervorgeht.“
- Antrag (optional, aber empfehlenswert):
- Fordern Sie das Jobcenter auf, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit unter Berücksichtigung Ihrer Ausführungen erneut zu prüfen.
- Bitten Sie ggf. um Übersendung von Kopien von Unterlagen, die Sie nicht kennen, um die dem Bescheid zugrunde liegenden Unterlagen zu prüfen. Eine Akteneinsicht ist in diesem Stadium meist nicht praktikabel und erfolgt zumeist erst im gerichtlichen Verfahren.
- Anlagen: Listen Sie alle beigefügten Kopien Ihrer Beweismittel auf.
- Freundlicher Gruß: „Mit freundlichen Grüßen“
- Ihre eigenhändige Unterschrift.
Schritt 4: Versand und sorgfältige Nachverfolgung
- Kopien für Ihre Unterlagen: Fertigen Sie immer Kopien des Widerspruchsschreibens und aller Anlagen an! Dies ist Ihr Nachweis. Denken Sie daran! Sie sollten zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, Ihren bisherigen Vortrag zu überblicken.
- Versandart: Versenden Sie den Widerspruch per Einschreiben mit Rückschein. So können Sie im Streitfall nachweisen, dass Ihr Widerspruch fristgerecht beim Jobcenter eingegangen ist. Alternativ können Sie den Widerspruch auch persönlich beim Jobcenter abgeben und sich den Empfang auf Ihrer Kopie quittieren lassen (mit Datum und Unterschrift/Stempel). Sicher ist auch, den Widerspruch in den meist vorhandenen Nachtbriefkasten einzulegen und den Einwurf auf der Kopie des Widerspruchsschreibens mit Datum und Uhrzeit zu vermerken. Auch der Versand per einfacher Post oder mit Einwurfeinschreiben ist möglich.
- Fristen notieren: Vermerken Sie sich, wann Sie den Widerspruch abgeschickt haben und wann Sie mit einer Antwort des Jobcenters rechnen können. Das Jobcenter hat in der Regel drei Monate Zeit, um über Ihren Widerspruch zu entscheiden.
Schritt 5: Was tun, wenn das Jobcenter nicht reagiert oder ablehnt?
- Untätigkeitsklage: Wenn das Jobcenter innerhalb von drei Monaten nicht über Ihren Widerspruch entschieden hat, können Sie eine sogenannte Untätigkeitsklage beim zuständigen Sozialgericht einreichen. Dies zwingt das Jobcenter zur Entscheidung.
- Widerspruchsbescheid: Erhalten Sie einen negativen Widerspruchsbescheid, bedeutet das, dass das Jobcenter bei seiner ursprünglichen Entscheidung bleibt. In diesem Fall haben Sie in der Regel erneut einen Monat Zeit, um Klage beim Sozialgericht einzureichen. Auch diesem Bescheid muss eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt sein.
Wichtiger Hinweis: Diese Schritt-für-Schritt-Anleitung soll Ihnen eine erste Orientierung geben. Das Sozialrecht und insbesondere das Bürgergeld sind komplex und voller Fallstricke. Jeder Fall ist einzigartig und erfordert eine individuelle Prüfung. Fehler im Widerspruch oder fehlende Dokumente können dazu führen, dass Ihr Widerspruch zurückgewiesen wird.
Wenn Sie unsicher sind, Schwierigkeiten beim Verfassen des Widerspruchs haben oder das Jobcenter auf Ihren Widerspruch negativ reagiert, sollten Sie professionellen rechtlichen Rat einholen. Gerne stehe ich Ihnen dazu zur Verfügung, um Ihre Rechte durchzusetzen. Ihr Recht auf soziale Absicherung ist es wert, dafür zu kämpfen!
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