Was ist eine Rechtsbehelfsbelehrung einfach erklärt?
Ein Verwaltungsakt ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, wenn er schriftlich erlassen oder bestätigt wird und der Beteiligte dadurch belastet ist. Der Betroffene muss die Entscheidung nicht hinnehmen. In der Belehrung ist er darauf hinzuweisen, wie er gegen die Entscheidung vorgehen kann. Geschieht dies nicht, hat das Folgen.
§ 36 Rechtsbehelfsfrist
Erlässt die Behörde einen schriftlichen Verwaltungsakt oder bestätigt sie schriftlich einen Verwaltungsakt, ist der durch ihn beschwerte Beteiligte …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 36 SGB X legt die Mindestanforderungen an eine Rechtsbehelfsbelehrung bei Erlass eines Verwaltungsaktes fest.
In der Belehrung ist die Behörde oder das Gericht zu bezeichnen, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist. Weiterhin müssen der Sitz der Behörde, die einzuhaltende Frist und die Form benannt werden.
Ein allgemeiner Hinweis auf Möglichkeiten eines Rechtsbehelfs genügt nicht.
Was muss eine Rechtsbehelfsbelehrung im Einzelnen enthalten?
Welche Folgen hat eine fehlerhafte Belehrung?
1. Form der Belehrung
Die Belehrung hat in schriftlicher Form zu erfolgen. Sie muss aber nicht mit dem schriftlichen oder elektronischen Bescheid verbunden sein, sondern kann auch als separate Anlage beigefügt sein.
2. Angabe der Behörde oder des Gerichts
Die Rechtsbehelfsbelehrung muss die Behörde oder das Gericht benennen, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist. In der Belehrung muss darüber hinaus deren Sitz mit vollständigem Namen und Anschrift (Ort, Straße und Hausnummer) angegeben werden.
Die bloße Angabe eines Postschließfaches genügt nicht.
Verweist die Behörde „auf eine oben genannte Stelle“, ist das nur ausreichend, wenn klar erkennbar ist, um welche Stelle es sich handelt – dies ist nicht erkennbar, wenn im Text mehrere Stellen genannt werden.
3. Frist
Aus der Belehrung muss die einzuhaltende Frist hervorgehen. So beträgt die Widerspruchsfrist gegen einen Verwaltungsakt nach § 84 Frist und Form des Widerspruchs
(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 84 Abs. 1 S. 1 SGG einen Monat nach Bekanntgabe.
Einer Belehrung über den konkreten Beginn der Widerspruchs- oder Klagefrist bedarf es nicht. Es genügt bei Bekanntgabe mittels einfachem Brief der Hinweis „nach Bekanntgabe“ – möglichst mit einem Hinweis darauf, dass der Verwaltungsakt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt.
Eine Rechtsbehelfsbelehrung, nach der bei Bekanntgabe mittels einfachem Brief binnen eines Monats „nach Zustellung“ Widerspruch eingelegt werden muss, ist bei einem Bescheid, der nur bekannt gegeben wird, nicht unrichtig. Allerdings beginnt dann die Frist erst, nachdem der Bescheid nach Verwaltungszustellungsrecht auch tatsächlich nicht nur bekanntgegeben sondern zugestellt wird oder als zugestellt gilt (vgl. dazu u. a. das Sächsische Oberverwaltungsgericht in einem www.justiz.sachsen.deUrteil vom 26. März 2003, 5 B 638/02, Entscheidungsgründe zu 1 a).
Belehrt die Behörde bei Bekanntgabe mittels einfachem Brief mit „… kann innerhalb eines Monats nach Zugang Widerspruch eingelegt werden …“, so wird der Empfänger irritiert, da tatsächlich nicht zugestellt wurde. Die Frist beginnt nicht zu laufen.
Auch eine Erklärung im Hinblick auf die Zugangsfiktion gemäß § 37 SGB X (dass der Bescheid am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt) sollte bei Bekanntgabe mittels einfachem Brief regelmäßig in der Rechtsbehelfsbelehrung enthalten sein (vom BSG noch offen gelassen in einem Urteil vom 6. Dezember 1996, ob dies zu einem nach § 66 Abs. 2 SGG beachtlichen Fehler führt, 13 RJ 19/96).
4. Belehrung über die Form des Widerspruchs
§ 36 SGB X verlangt auch eine Belehrung über die Form des einzulegenden Rechtsbehelfs. Kann der Widerspruch auch zur Niederschrift erfolgen (§ 84 Abs. 1 S. 1 SGG), so muss in der Belehrung darauf hingewiesen werden.
5. Folgen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung
Ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder ist sie unrichtig erteilt, so führt das nicht zur Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, sondern zur Verlängerung der Frist auf ein Jahr, § 66 Rechtsbehelfsfrist
…
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer …
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 66 Abs. 2 SGG.
Für die Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung und die dadurch bewirkte Verlängerung um ein Jahr kommt es nicht darauf an, ob es gerade durch die Unrichtigkeit zur Versäumung der Frist gekommen ist. Die Rechtsbehelfsfrist läuft bei einer fehlerhaften Belehrung auch dann nicht, wenn der Beteiligte sie tatsächlich kennt oder wenn der Beteiligte den Rechtsbehelf aus anderen Gründen nicht fristgerecht eingelegt hat.
6. Abgrenzung Rechtsbehelf/Rechtsmittel
Ein Rechtsbehelf ist jedes von der geltenden Rechtsordnung in einem Verfahren zugelassene Gesuch, mit dem eine behördliche – insbesondere gerichtliche – Entscheidung angefochten werden kann. Zu den Rechtsbehelfen gehören z. B. Widerspruch, Einspruch, Erinnerung, Klage, Berufung, … .
Rechtsmittel sind nur die Rechtsbehelfe, durch die eine Partei eine gerichtliche Entscheidung prüfen lassen kann. Der Begriff Rechtsmittel ist also der wesentlich engere Begriff. Hierzu gehören z. B. die Berufung, die Revision, die Beschwerde, die Wiederaufnahme, …
Gemäß § 136 Inhalt des Urteils
(1) Das Urteil enthält
…
7. die Rechtsmittelbelehrung.
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 136 Abs. 1 Nr. 7 SGG ist die Rechtsmittelbelehrung Teil des Urteils. Der Inhalt der Rechtsmittelbelehrung bestimmt sich nach § 66 Rechtsbehelfsfrist
…
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2)…
(Link: Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 66 SGG, wo unter anderem auch auf die Folgen einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung (Rechtsbehelfsbelehrung) und die Folgen des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung geregelt sind.
Zur Wiedereinsetzung vergleiche auch den Beitrag
Klaus Rambacher says
Von der Widerspruchsstelle der KKH erhielt ich mit Datum 28.04.2021 zusammen mit einem ablehnenden Bescheid die folgende wörtliche Rechtsmittelbelehrung:
„Wenn Sie mit dieser Entscheidung nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides beim Sozialgericht Hannover, Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover, schriftlich, zur Niederschrift oder in elektronischer Firm Klage erheben. Die Einlegung in elektronischer Form kann an das im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) unter der Adresse https://egvp.justiz.de/ eingerichtete Postfach erfolgen“.
Unter der Webadresse https://egvp.justiz.de/ erscheint eine Webseite, auf der ich KEINE Erklärung der am PC auszuführenden Schritte finde, die ich ausführen muss, um meine Klageschrift elektronisch an das Sozialgericht zu senden. Der in der Webseite enthaltene Link „Hier finden Sie eine Stellungnahme zu Fragen, die im Kontext der Diskussion um das beA gestellt werden“ behandelt die IT-Sicherheit der EGVP-Infrastruktur, die mich überhaupt nicht interessiert, und liefert mir ebenfalls nicht die am PC auszuführenden Schritte für die elektronische Zustellung der Klageschrift.
Ich bin der Ansicht, dass die elektronische Zustellung der Klageschrift so erklärt werden muss, dass ein durchschnittlicher 88 Jahre alter Bürger (der bin ich) in der Lage ist, die elektronische Zustellung der Klageschrift durchzuführen. Ich sehe nicht nur einen Verstoß gegen § 58 Abs. 2 VwGO, der die in Kürze ablaufende 1-monatige Frist aufhebt und auf 1 Jahr verlängert. Ich sehe auch einen Verstoß gegen die leider rechtlich nicht einklagbare Aufgabe der Verwaltung, die abstrakt formulierten Gesetzesregelungen auf einen konkreten Lebenssachverhalt anzuwenden.
Insbesondere sehe ich in meinem Fall einen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 AGG in Form der Altersdiskriminierung.
Meine Beschwerde bei der Widerspruchstelle der KKH wurde lakonisch beantwortet mit „Die Angabe, dass die Klage auch in elektronischer Form eingelegt werden kann, genügt den derzeitigen Anforderungen“. Mit dieser Belehrung bin ich genau so „klug“ wie vorher.
Was kann ich unternehmen, um von der Widerspruchstelle der KKH eine für den Durchschnittsbürger verständliche (ausführliche) Erklärung der elektronischen Zustellung zu erhalten?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Rambacher,
Sie werfen da eine Frage auf, an die ich mich nicht ganz „herantraue“, die aber für Sie „eigentlich“ nicht von sehr großem Interesse sein dürfte:
Sie sollten jedenfalls Klage einlegen, wenn Sie sich materiell gegen die Entscheidungen zur Wehr setzen wollen. Soweit für Sie die elektronische Klageerhebung über EGVP nicht möglich ist, sollten Sie dies schriftlich oder zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle des Gerichts gemäß der Rechtsbehelfsbelehrung in dem Widerspruchsbescheid tun. Ich gehe davon aus, dass eine „elektronische Klageerhebung“ für Sie nicht möglich ist. Die Form wird dann wahrscheinlich nicht gewahrt.
Anwälte haben inzwischen ein „besonderes elektronisches Anwaltspostfach“ (beA). Dazu ist allerdings eine Verschlüsselung mittels einer recht teuren Signaturkarte (evtl. ist zukünftig auch Personalausweis als Signaturkarte einsetzbar) mit Kartenleser und zusätzlich eine Anmeldung im System erforderlich. Ob Sie diese Voraussetzungen erfüllen können, bezweifele ich.
Ob schließlich die von der Krankenkasse gewählte Rechtsbehelfsbelehrung unverständlich ist und dann evtl. wegen § 66 Abs. 2 SGG eine Jahresfrist in Gang setzt, kann ich aber nicht wirklich beantworten. Dies wäre evtl. ein „interessanter Fall“, den Sie aber durch rechtzeitige Einlegung einer Klage vermeiden sollten.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt