Die Rechtsprechung stellt klar: Das Umgangsrecht darf nicht an fehlendem Geld scheitern – nötigenfalls greifen sozialrechtliche Ansprüche (Mehrbedarf, KdU, Zuständigkeit).
1. Grundsatz: Kosten trägt der Umgangsberechtigte
Nach familienrechtlichen Grundsätzen trägt der umgangsberechtigte Elternteil die Kosten des Umgangs. Er muss das Abholen und Zurückbringen der Kinder übernehmen. Selbst bei engen finanziellen Verhältnissen kann er nicht verlangen, dass sich der andere Elternteil beteiligt.
Die bei Ausübung des Umgangsrechts entstehenden Kosten können zu einem höheren Bedarf führen (vgl. BVerfG, 05.02.2002 – 1 BvR 2029/00):
[8] Das Umgangsrecht steht ebenso wie die elterliche Sorge unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 GG. Gerichte müssen eine Regelung treffen, die beide Grundrechtspositionen sowie das Kindeswohl berücksichtigt. Eine faktische Vereitelung des Umgangsrechts durch unzumutbare Kosten ist unzulässig.
2. Sozialrechtliche Ansprüche bei Bedürftigkeit
Wenn der umgangsberechtigte Elternteil auf Sozialleistungen angewiesen ist, kann er die Kosten der Ausübung des Umgangsrechts beim Jobcenter geltend machen (vgl. § 38 Abs. 2 SGB II).
(2) Für Leistungen an Kinder im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts hat die umgangsberechtigte Person die Befugnis, Leistungen nach diesem Buch zu beantragen und entgegenzunehmen, soweit das Kind dem Haushalt angehört.
Zuständig ist das Jobcenter am Wohnort des Umgangsberechtigten, § 36 Abs. 1 S. 3 SGB II.
3. Höhere Unterkunftskosten (§ 22b Abs. 3 SGB II)
Das Umgangsrecht kann auch zu einem erhöhten Wohnbedarf führen. In den Satzungen zu den Kosten der Unterkunft sind besondere Bedarfe, z. B. wegen Umgang mit Kindern, ausdrücklich zu berücksichtigen (vgl. § 22b Abs. 3 SGB II).
(3) In der Satzung soll für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung eine Sonderregelung getroffen werden. Dies gilt insbesondere für Personen, die einen erhöhten Raumbedarf haben wegen
1. einer Behinderung oder
2. der Ausübung ihres Umgangsrechts.
Das BSG bestätigt, dass Sonderbedarfe realistisch ermittelt und berücksichtigt werden müssen – auch im SGB XII (vgl. BSG, 17.10.2013 – B 14 AS 70/12 R).
4. Fahrkosten als Mehrbedarf (§ 21 Abs. 6 SGB II)
Fahrtkosten, die durch den Umgang entstehen, können als Mehrbedarf anerkannt werden. Eine starre Bagatellgrenze von 10 % des Regelbedarfs gibt es nicht (vgl. BSG, 04.06.2014 – B 14 AS 30/13 R):
Leitsatz: Es gibt keine allgemeine Bagatellgrenze in Höhe von 10 % des Regelbedarfs.
[19] Nach … in der hier maßgeblichen Fassung vom 27.5.2010 erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige (jetzt: Leistungsberechtigte) einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht (dazu a.). Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen (Leistungsberechtigten) gedeckt ist (dazu b.) und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (dazu c.). …
- Umgangsvereinbarung oder Beschluss vorlegen
- Besuchsfahrplan dokumentieren
- Belege der Fahrtkosten (Kilometer, ÖPNV, Tankquittungen)
5. Fazit
Familienrechtlich trägt der Umgangsberechtigte die Kosten. Sozialrechtlich bestehen jedoch Ansprüche auf Übernahme von Unterkunftskosten und Fahrtkosten, wenn andernfalls das Umgangsrecht faktisch vereitelt würde. Wichtig ist die saubere Antragstellung beim zuständigen Jobcenter.
6. Häufige Fragen (FAQ)
- Wann übernimmt das Jobcenter Fahrkosten für den Umgang?
Wenn ohne Kostenerstattung der Umgang praktisch scheitern würde und die Kosten notwendig/angemessen sind. Grundlage: § 21 Abs. 6 SGB II (Mehrbedarf). - Bekomme ich eine größere Wohnung wegen Umgang?
Möglich, wenn die kommunale KdU-Satzung Sonderbedarfe (Umgang) vorsieht bzw. die Angemessenheit so bestimmt. Rechtsgrundlage: § 22b Abs. 3 SGB II. - Welches Jobcenter ist zuständig?
Grundsätzlich das Jobcenter am Wohnort des umgangsberechtigten Elternteils (§ 36 Abs. 1 S. 3 SGB II).
7. Weiterführende Beiträge
Beiträge zu den Kosten der Unterkunft, zur Berechnung des Bürgergeldes, zum Widerspruchsverfahren und zur Beratungshilfe:
Tafikalo says
darf das JC das Vermögen des Kindes erfragen, obwohl nur eine temporäre Bedarfsgemeinschaft besteht?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Tafikalo,
ggf. kann doch gefordert werden, dass Vermögen des Kindes einzusetzen ist. Dazu muss aber das Jobcenter Kenntnis von Vermögen haben. Also darf es meines Erachtens auch erfragen, ob und in welcher Höhe Vermögen des Kindes vorhanden ist.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt