Die Sozialgerichtsbarkeit ist eine eigenständige Gerichtsbarkeit und von den Verwaltungsbehörden getrennt, § 1 SGG. Das SGG regelt, wann der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet ist, welches Gericht sachlich und örtlich zuständig ist – und in welchem Instanzenzug verhandelt wird.
1. Rechtsweg: § 51 SGG (Katalog der Zuständigkeiten)
Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gesetzlich abschließend geregelt: Zuständig sind die Sozialgerichte u. a. für Streitigkeiten aus der Renten-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung, der Arbeitsförderung (Agentur für Arbeit), der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bürgergeld), der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsrechts, des sozialen Entschädigungsrechts sowie bei Feststellung von Behinderungen/Merkzeichen, § 51 SGG.
Für z. B. BAföG, Wohngeld und Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) ist regelmäßig der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (vgl. § 40 VwGO). Dort gelten die Regeln der VwGO, nicht des SGG.
Innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit werden Verfahren in Kammern verhandelt; Besetzung: ein Berufsrichter als Vorsitzender und zwei ehrenamtliche Richter als Beisitzer, § 12 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Länder können Kammern für bestimmte Sachgebiete bilden, § 10 SGG.
2. Sachliche Zuständigkeit & Instanzenzug
Erste Instanz sind die Sozialgerichte, § 8 SGG. Ausnahmen: In eng umgrenzten Konstellationen ist das LSG oder das BSG erstinstanzlich (z. B. bestimmte Bund-Länder-Streitigkeiten), vgl. u. a. § 38 SGG.
- Sozialgericht (SG) – 1. Instanz
- Landessozialgericht (LSG) – Berufung/ Beschwerde
- Bundessozialgericht (BSG) – Revision/ Rechtsbeschwerde
3. Örtliche Zuständigkeit (§ 57 SGG)
Grundregel: Zuständig ist das SG, in dessen Bezirk der Kläger bei Klageerhebung seinen Wohnsitz/Sitz (ersatzweise Aufenthaltsort) hat; Alternativ kann am Beschäftigungsort geklagt werden, § 57 SGG.
- Klagt z. B. eine Körperschaft/Anstalt des öffentlichen Rechts, kann sich der Gerichtsstand nach dem Sitz des Beklagten richten (wenn dieser eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts ist), § 57 SGG.
- Weitere Sonder-Gerichtsstände sind im Gesetz geregelt; eine private Gerichtsstandsvereinbarung ist im Sozialrecht unzulässig.
4. Praxis: Anwaltszwang, Kosten/PKH, Fristen, Eilrechtsschutz
- Anwaltszwang: Vor SG/LSG besteht kein Anwaltszwang. Vor dem BSG gilt Vertretungszwang (zugelassene Rechtsanwälte/Verbände), § 73 SGG.
- Gerichtskosten & PKH: Verfahren sind für Versicherte, Leistungsempfänger u. a. in der Regel gerichtskostenfrei (Gebührenfreiheit), § 183 SGG. Prozesskostenhilfe ist möglich, § 73a SGG.
- Vorverfahren & Fristen: In vielen Fällen ist vor der Klage ein Widerspruchsverfahren vorgeschrieben, § 78 SGG.
Klagefrist: i. d. R. 1 Monat nach Zugang des Widerspruchsbescheids, § 87 SGG. - Untätigkeitsklage: Bei ausbleibender Entscheidung nach 6 Monaten (Antrag) bzw. 3 Monaten (Widerspruch) möglich, § 88 SGG. → Vertiefung: Untätigkeitsklage
- Eilrechtsschutz: Vorläufiger Rechtsschutz (Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) über § 86b SGG.
5. Häufige Fragen: Zuständigkeit & Verfahren vor den Sozialgerichten
Wofür sind die Sozialgerichte zuständig?
Für Streitigkeiten u. a. aus gesetzlicher Renten-, Kranken-, Pflege-, Unfallversicherung, Arbeitsförderung, Bürgergeld, Sozialhilfe/AsylbLG, sozialem Entschädigungsrecht und bei Feststellung von Behinderungen/Merkzeichen, § 51 SGG.
Welches Sozialgericht ist für mich zuständig?
Regelmäßig das Gericht am Wohnsitz (wahlweise am Beschäftigungsort), § 57 SGG.
Brauche ich einen Anwalt?
Vor SG/LSG nein; vor dem BSG gilt Vertretungszwang, § 73 SGG.
Kostet die Klage Gebühren?
Für Versicherte, Leistungsempfänger u. a. sind Verfahren gerichtskostenfrei; Prozesskostenhilfe ist möglich, § 183 SGG · § 73a SGG.
Welche Frist gilt für die Klage?
In der Regel 1 Monat nach Zugang des Widerspruchsbescheids, § 87 SGG.
Was kann ich tun, wenn die Behörde nicht entscheidet?
Untätigkeitsklage nach 6 Monaten (Antrag) bzw. 3 Monaten (Widerspruch), § 88 SGG.
6. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Vertiefungen zu Zahlen, Kosten und Verfahren:
Hilgardth, Alexander says
Ob eine Untätigkeits-, Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage wegen der Anerkennung der außerhalb Bundes-republik Deutschland (Ostblockstaaten) zurückgelegten Rentenversicherungszeiten nach § 1 a des Fremdrenten-gesetzes (FRG) gehört das Fremdrentenrecht ausdrücklich nicht zu den Zuständigkeitsregelungen des § 51 SGG. Der Sozialrechtsweg ist also nicht eröffnet, obwohl das Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung B 5 RJ 54/04 R vom 21.03.2006 anders entschieden hat. Gehört zu den oben genannten Ausnahmen wie Bundesausbildungs-förderung u.a. auch das Fremdrentenrecht zur Verwaltungsgerichtsbarkeit?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Hilgarth,
bitte nicht böse sein – aber irgendwie verstehe ich den Sinn des 1. Satzes nicht
„… ob eine Untätigkeits-, Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ??? …“
Grüße
Sönke Nippel
Hilgardth, Alexander says
Sehr geehrter Herr Nippel,
gemeint ist das Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit. Egal was für eine Klage in Aussicht gestellt wird, Untätigkeits- und unter Umständen gleichzeitig Anfächtungs- oder Verpflichtungsklage, diese wird vom Gericht als unzulässig abgewiesen, da das Fremdrentenrecht und dazugehöriges Recht aus dem Bundesvertriebenengesetz nicht zu
den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gemäß § 51 SGG zählen. Gehört der Fall zur Verwaltungsgerichtsbarkeit?
War die von mir genannte Entscheidung des Bundessozialgerichts ein Ausnahmefall?
MfG
Al. Hilgardth