Die Bedarfsgemeinschaft ist ein Kernbegriff des Bürgergeldes nach dem SGB II. Das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft entscheidet darüber, wer Leistungen erhält und wessen Einkommen und Vermögen bei der Berechnung einzubeziehen ist. Die maßgeblichen Regeln finden sich in § 7 SGB II und § 9 SGB II.
- 1. Definition & Rechtsgrundlagen
- 2. Wer gehört zur Bedarfsgemeinschaft?
- 3. Vermutungsregeln nach § 7 Abs. 3a SGB II
- 4. Einkommen/Vermögen – Anrechnung nach § 9 SGB II
- 5. Abgrenzung: Haushaltsgemeinschaft & Wohngemeinschaft
- 6. Praxis: Nachweise, Widerlegung, typische Fehler
- 7. Häufige Fragen
- 8. Weiterführende Beiträge
1. Definition & Rechtsgrundlagen
Rechtsgrundlage ist § 7 SGB II. Leistungen erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Für die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ist § 9 SGB II maßgeblich.
- § 7 Abs. 3 SGB II regelt, wer zur Bedarfsgemeinschaft gehört.
- § 7 Abs. 3a SGB II enthält Vermutungen für einen Einstehenswillen.
- § 9 Abs. 2 SGB II ordnet die Anrechnung von Einkommen/Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft an.
2. Wer gehört zur Bedarfsgemeinschaft?
Nach § 7 Abs. 3 SGB II umfasst die Bedarfsgemeinschaft typischerweise:
- die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person,
- deren Partner als Ehegatte, Lebenspartner oder Partner in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft,
- die unverheirateten Kinder im Haushalt, unter 25 Jahre, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst decken.
U25-Kinder können Teil der Bedarfsgemeinschaft sein. Mit Vollendung des 25. Lebensjahres endet die Zugehörigkeit. Danach kommt allenfalls eine Haushaltsgemeinschaft in Betracht. Dazu unten bei Abgrenzung.
3. Vermutungsregeln nach § 7 Abs. 3a SGB II
Ein wechselseitiger Einstehenswille wird vermutet, wenn Partner
- länger als ein Jahr zusammenleben,
- mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
- Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
- befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. (§ 7 Abs. 3a SGB II)
Im ersten Jahr des Zusammenlebens wird der Einstehenswille nicht automatisch vermutet. Nur besondere Umstände rechtfertigen die Annahme einer Einstehensgemeinschaft. Vgl. den Beitrag Vermutung der Bedarfsgemeinschaft im ersten Jahr.
Verwandte Kernbegriffe & Vertiefung:
4. Einkommen/Vermögen – Anrechnung nach § 9 SGB II
Nach § 9 Abs. 2 SGB II sind in der Bedarfsgemeinschaft auch die Mittel des Partners und bei U25-Kindern die Mittel der Eltern zu berücksichtigen. Reicht das Einkommen der Gemeinschaft nicht aus, gilt jede Person anteilig als hilfebedürftig. Besondere Schutzregeln bestehen etwa für Schwangere und betreuende Elternteile.
Nicht alles ist Einkommen. Absetzungen, Freibeträge und die Systematik der Bürgergeld-V sind zu prüfen. Bei gemischten Haushalten können Haushaltsersparnis und die Abgrenzung zur Haushaltsgemeinschaft die Höhe der Leistungen spürbar beeinflussen.
5. Abgrenzung: Haushaltsgemeinschaft & Wohngemeinschaft
Die Bedarfsgemeinschaft ist von zwei Konstellationen abzugrenzen:
- Haushaltsgemeinschaft im Sinne des SGB II: wirtschaften aus einem Topf mit Verwandten/Verschwägerten. Es gibt keine gesetzliche Vermutung für ihr Bestehen. Erst wenn eine Haushaltsgemeinschaft feststeht, greift die Bedarfsdeckungs-Vermutung des § 9 Abs. 5 SGB II mit den Berechnungsregeln der § 1 Abs. 2 Bürgergeld-V. Siehe den Beitrag Haushaltsgemeinschaft.
- Wohngemeinschaft: gemeinsames Wohnen ohne gemeinsame Haushaltsführung. Es wird getrennt gewirtschaftet. Keine Bedarfsgemeinschaft allein wegen gemeinsamer Adresse.
Bedarfsgemeinschaft = Einstehen füreinander. Haushaltsgemeinschaft = gemeinsames Wirtschaften. Wohngemeinschaft = nur gemeinsames Wohnen.
6. Praxis: Nachweise, Widerlegung, typische Fehler
- Widerlegung der Vermutung nach § 7 Abs. 3a: getrennte Finanzen, keine gegenseitige Verfügung, getrennte Einkaufs- und Kostenaufstellungen, keine gemeinsame Sorge- oder Vermögensdisposition. Die Anforderungen dürfen nicht überspannt werden.
- Kein Automatismus bei Konten oder Meldeadresse. Ein gemeinsames Konto ist ein Indiz. Es beweist keinen Einstehenswillen, wenn Verfügungsbefugnis fehlt oder es nur Abwicklungszwecken dient.
- Typische Behördenfehler: Einstufung einer WG als Bedarfsgemeinschaft, Annahme einer Haushaltsgemeinschaft ohne Feststellung der Wirtschaftsgemeinschaft, Anrechnung von Einkommen ohne Rechtsgrundlage.
Getrennte Konten und Kassen? Klare Quote bei Miete und Nebenkosten? Eigene Einkäufe und Vorräte? Keine gegenseitigen Vollmachten? Dokumentierte Abrechnungen? Je mehr Punkte mit „ja“, desto eher Wohngemeinschaft statt Bedarfsgemeinschaft.
7. Häufige Fragen
Gibt es im ersten Jahr automatisch eine Bedarfsgemeinschaft?
Nein. Die Vermutung nach § 7 Abs. 3a SGB II greift nach einem Jahr oder bei den anderen Tatbeständen. Davor sind besondere Umstände nötig.
Zählt mein erwachsenes Kind über 25 zur Bedarfsgemeinschaft?
Nein. Ab 25 scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Es kann aber in einer Haushaltsgemeinschaft leben. Dann gelten die Regeln des § 9 Abs. 5 SGB II.
Wann wird Partnereinkommen angerechnet?
Bei bestehender Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 SGB II. Absetzungen und Freibeträge sind zu berücksichtigen.
Ist eine Haushaltsgemeinschaft das Gleiche wie eine Bedarfsgemeinschaft?
Nein. Haushaltsgemeinschaft ist nicht automatisch Bedarfsgemeinschaft. Es fehlt der rechtliche Einstehenswille.
8. Weiterführende Beiträge
Weitere Vertiefungen zur Bedarfs- und Haushaltsgemeinschaft:
Kuschel says
Hallo,
ich verstehe das unter Punkt 3 nicht so ganz: Was bedeutet: 3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen?
Mein Freund versorgt mein Kind nicht, wir teilen alles, Miete Strom GEZ Telefon, Einkauf.
Wir leben aber erst seit 8 Monaten zusammen – heißt es, dass wir dann trotzdem eine Bedarfsgemeinschaft sind, weil ich eine Tochter habe?.
Viele Grüße
Kuschel