Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in § 21 SGB II (Bürgergeld) und § 30 SGB XII (Sozialhilfe).
1. Rechtsgrundlage & Systematik
Mehrbedarfe gehören zum laufenden Lebensunterhalt und werden zusätzlich zum Regelbedarf gewährt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
- Bürgergeld: § 21 SGB II – regelt Mehrbedarfe für Erwerbsfähige.
- Sozialhilfe: § 30 SGB XII – regelt Mehrbedarfe in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Regelbedarf = Grundbedarf (z. B. Ernährung, Kleidung),
Mehrbedarfe = Zusatzleistungen (z. B. Schwangerschaft, Warmwasser),
Unterkunftskosten = Miete & Heizung,
Gesamtbedarf = Regelbedarfe + Mehrbedarfe + Unterkunftskosten – Einkommen.
2. Arten von Mehrbedarfen
Die Mehrbedarfe lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
- Laufende Mehrbedarfe – werden regelmäßig gezahlt, solange die Voraussetzungen bestehen (z. B. Alleinerziehung, Krankheit, Behinderung).
- Einmalige Bedarfe – werden gesondert gewährt, wenn ein besonderer Anlass vorliegt (z. B. Erstausstattung, Geburt, medizinische Geräte).
3. Gängige Mehrbedarfe
a) Mehrbedarf für Alleinerziehende
Nach § 21 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB II erhalten Alleinerziehende je nach Kinderzahl und Alter 12–60 % des Regelbedarfs zusätzlich. Maßgeblich sind die Zahl und das Alter der Kinder.
Zahl & Alter der Kinder | Prozentsatz | Betrag (ca. – Stand: 2025) |
---|---|---|
1 Kind unter 7 Jahren oder 2 + Kinder unter 16 Jahren | 36 % | ≈ 203 € |
1 Kind über 7 Jahre | 12 % | ≈ 68 € |
2 Kinder (beide über 7, aber unter 16) | 24 % | ≈ 135 € |
3 Kinder | 36 % | ≈ 203 € |
4 Kinder | 48 % | ≈ 270 € |
5 oder mehr Kinder | 60 % (Höchstwert) | ≈ 338 € |
Die genaue Einstufung hängt von Zahl und Alter der Kinder ab (siehe Fachanweisung der BA zu § 21 SGB II).
b) Mehrbedarf bei dezentraler Warmwasseraufbereitung
Wenn Warmwasser nicht zentral über die Miete, sondern dezentral (z. B. Durchlauferhitzer, Boiler) erzeugt wird, entsteht ein Mehrbedarf. Grundlage: § 21 Abs. 7 SGB II. Häufig übersehen! Ein Antrag kann rückwirkend über § 44 SGB X gestellt werden.
Regelbedarfsstufe | Personengruppe | Prozentsatz | Betrag (ca.) |
---|---|---|---|
RBS 1 | Alleinstehende | 2,3 % | ≈ 13 € |
RBS 2 | Partner in BG | 2,3 % | ≈ 12 € |
RBS 3 | Erwachsene u 25 J. im Haushalt anderer | 1,4 % | ≈ 8 € |
RBS 4 | Jugendliche 14–17 Jahre | 1,2 % | ≈ 7 € |
RBS 5 | Kinder 6–13 Jahre | 1,0 % | ≈ 6 € |
RBS 6 | Kinder unter 6 Jahren | 0,8 % | ≈ 4 € |
Wird häufig übersehen – bei dezentraler Warmwasserbereitung immer angeben!
c) Mehrbedarf für Schwangere
Ab der 13. Schwangerschaftswoche: Zuschlag von 17 % des Regelbedarfs (§ 21 Abs. 2 SGB II). Gilt auch im Sozialhilferecht nach § 30 Abs. 2 SGB XII.
Zeitraum | Prozentsatz | Betrag (ca.) |
---|---|---|
Ab der 13. Schwangerschaftswoche bis zur Entbindung | 17 % | ≈ 96 € |
d) Mehrbedarf bei Behinderung
35 % Zuschlag im Bürgergeld (§ 21 Abs. 4 SGB II), 17 % in der Sozialhilfe (§ 30 Abs. 1 SGB XII). Details: Mehrbedarf bei Behinderung – Bürgergeld & Sozialhilfe im Vergleich.
Vertiefend zum Mehrbedarf bei Behinderung:
e) Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung
Bei ärztlich bestätigtem Ernährungsmehraufwand – z. B. Zöliakie, Dialyse, Mukoviszidose. Grundlage: § 21 Abs. 5 SGB II und § 30 Abs. 5 SGB XII.
Vertiefend zur kostenaufwändigen Ernährung:
4. Besondere & seltene Mehrbedarfe
- Härtefälle (§ 21 Abs. 6 SGB II): für atypische, vom Regelbedarf nicht erfasste Bedarfe.
- Schulbedarfe (§ 28 Abs. 3 SGB II): eigenständige Leistung für Kinder im Bürgergeldbezug.
- Erstausstattungen (§ 24 Abs. 3 SGB II / § 31 SGB XII): Sonderbedarfe für Wohnung, Bekleidung, Schwangerschaft oder Geburt.
Einmalige Bedarfe sind kein Mehrbedarf im engeren Sinn, werden aber häufig in der Verwaltungspraxis ähnlich behandelt.
Vertiefend zur Erstausstattung:
5. Antrag & Nachweise
- Antragspflicht: Mehrbedarfe werden nicht automatisch gewährt – rechtzeitig beantragen!
- Nachweise: z. B. ärztliche Bescheinigungen, Energieabrechnungen, Schwangerschaftsnachweise.
- Rückwirkung: Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X möglich (z. B. Warmwasser-Zuschlag).
Im Bescheid prüfen: Sind alle Mehrbedarfe aufgeführt? – Fehlende Zuschläge sollten sofort nachgefordert werden.
6. Häufige Fragen
Wer hat Anspruch auf Mehrbedarfe?
Jede leistungsberechtigte Person, bei der ein gesetzlich anerkannter besonderer Bedarf vorliegt (z. B. Schwangerschaft, Behinderung, Alleinerziehung).
Wie hoch sind die Mehrbedarfe insgesamt?
Die Zuschläge können sich summieren, dürfen aber den Regelbedarf nicht überschreiten (§ 21 Abs. 8 SGB II).
Kann ich Mehrbedarfe rückwirkend geltend machen?
Ja, über den Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, wenn sie zu Unrecht nicht bewilligt wurden.
Gibt es Mehrbedarfe auch in der Sozialhilfe?
Ja – die Regelungen in § 30 SGB XII entsprechen weitgehend denen in § 21 SGB II.
7. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Mehrbedarfen und Einmalbedarfen:
Schreiben Sie einen Kommentar