Einkommen und Vermögen entscheiden darüber, ob jemand Bürgergeld oder Sozialhilfe erhält – und in welcher Höhe. Schon kleine Unterschiede bei der Anrechnung können über mehrere Hundert Euro im Monat ausmachen. Deshalb lohnt es sich, die gesetzlichen Grundlagen und praktischen Folgen zu kennen.
Die maßgeblichen einschlägigen Regelungen sind in § 11 Abs. 1 SGB II und § 12 SGB II für die Leistungen nach dem Bürgergeld sowie § 82 SGB XII und § 90 SGB XII für die Sozialhilfe enthalten.
I. Einkommen
1. Der Einkommensbegriff
Bis zum 1. August 2016 gehörten gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II alter Fassung alle „Einnahmen in Geld oder Geldeswert“ zum Einkommen. Ab August 2016 wurde der Zusatz „oder Geldeswert“ in § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II gestrichen. „Einnahmen in Geldeswert“ in § 11 Abs. 1 S. 2 SGB II wurden auf Einnahmen im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes beschränkt.
§ 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII wurde nicht entsprechend angepasst. Gemäß § 82 Abs. 1 S. 1 SGB XII gehören bei der Sozialhilfe immer noch alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert zum Einkommen.
Weiterhin gehören beim Bürgergeld ausdrücklich darlehensweise gewährte Sozialleistungen zum Einkommen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen, § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II. Kinderzuschlag und Kindergeld gehören zum zu berücksichtigenden Einkommen der Kinder, § 11 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB II.
Zum Einkommen zählen also vor allem – sowohl beim Bürgergeld als auch bei der Sozialhilfe – Einnahmen aus einer unselbständigen sowie auch aus einer selbständigen Beschäftigung, Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer betrieblichen Altersversorgung, Zahlungen aus einer Lebensversicherung oder aus einem Ehrenamt, Zinseinnahmen, Elterngeld etc.
Ob Zuwendungen Dritter zum Einkommen gehören, bemisst sich nach § 11 a Abs. 5 SGB II. Eine ähnliche Regelung enthält § 84 Abs. 2 SGB XII.
Zum Einkommen gehören nach wie vor Sachleistungen des Arbeitgebers („… dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit … zufließen, § 11 Abs. 1 S. 2 SGB II.“). Auch ein kostenloses Essen kann also gemäß dem Gesetzestext nach wie vor zum Einkommen gehören.
Einkommen ist alles, was jemand im Bewilligungszeitraum neu erhält – etwa Lohn, Renten, Kindergeld oder Unterhalt. Maßgeblich ist der tatsächliche Zufluss.
2. Die Berücksichtigung von Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Grundsicherung
Grundsätzlich wird Einkommen auf die Grundsicherung angerechnet.
Zum Einkommen zählen die gesamten Einnahmen. Leistungsmindernd und bedarfsdeckend zu berücksichtigen sind allerdings nicht alle Einnahmen. Bestimmte Einnahmen dürfen nicht angerechnet oder abgezogen werden.
Der Bedarf des Hilfesuchenden und das zu berücksichtigende Einkommen werden miteinander verglichen. Ist das zu berücksichtigende Einkommen höher als der Bedarf, kann der Hilfesuchende seinen Lebensunterhalt selbst sichern. Eventuell besteht dann ein Anspruch auf Wohngeld oder Kinderzuschlag.
In Ausnahmefällen ist es möglich, dass einmalig Leistungen der Grundsicherung gewährt werden, wenn das Einkommen nur geringfügig über dem monatlichen Bedarf liegt. Liegt das Einkommen hingegen niedriger als der Bedarf, besteht gegebenenfalls ein Anspruch auf laufende Grundsicherung, wenn nicht eventuell verwertbares Vermögen vorhanden ist.
Im Alltag stellen sich zu Einkommen zahlreiche Detailfragen – etwa zum Hinzuverdienst oder zur Abgrenzung bestimmter Einnahmen.
Damit Sie diese Aspekte vertiefen können, habe ich ergänzende Beiträge zusammengestellt:
Vertiefende Beiträge zum Hinzuverdienst:
II. Vermögen
1. Vermögensbegriff (Überblick)
Unter Vermögen versteht man Geld oder geldwerte Güter. Der Vermögensbegriff wird in den Gesetzen allerdings nicht näher definiert.
Zum Vermögen im Sinne des SGB II und SGB XII gehören Bargeld, Guthaben auf Konten, ein Auto, Schmuckstücke, Gemälde, Antiquitäten, eine Wohnung oder ein Haus und andere wertvolle Dinge. Zum Vermögen gehören auch auf Geld gerichtete Forderungen, Aktien, Gesellschaftsanteile und persönliche Rechte wie Nießbrauch und Urheberrechte.
Viele Gegenstände zählen aber nicht als verwertbares Vermögen. Viele Vermögensgegenstände sind „geschütztes Vermögen“ (Schonvermögen“) hierzu gehören zum Beispiel der angemessene Hausrat, Familien- und Erbstücke, Gegenstände die der Hilfesuchende für die Arbeit benötigt, eine zusätzliche private Altersvorsorge und Vermögen, mit dem bald eine angemessene Wohnung oder ein Haus gekauft werden soll.
2. Schonvermögen & verwertbares Vermögen
Auch beim Vermögen stellen sich viele praktische Detailfragen – etwa zum geschützten Schonvermögen oder zur Frage, wie ein Auto bei der Grundsicherung behandelt wird.
Vertiefende Beiträge zum anrechenbaren Vermögen und zum Schonvermögen:
3. Vermögensumwandlung
Unter Vermögensumwandlung versteht man die Veränderung der Form vorhandenen Vermögens, ohne dass dadurch neues Einkommen entsteht.
Beispiele sind: Verkauf eines Autos gegen Geld, Auszahlung des Rückkaufswerts einer Lebensversicherung oder Auflösung eines Sparbuchs.
Die Werte bleiben Vermögen und werden nach den Regeln des § 12 SGB II bzw. § 90 SGB XII berücksichtigt.
Erträge aus diesem Vermögen (z. B. Zinsen, Dividenden) gelten dagegen als Einkommen.
- Einkommen ist alles, was neu zufließt. Das gilt sowohl für das Bürgergeld als auch für die Sozialhilfe (§ 11 SGB II, § 82 SGB XII).
- Vermögen ist alles, was bereits vorhanden ist. Das gilt ebenfalls für Bürgergeld und Sozialhilfe (§ 12 SGB II, § 90 SGB XII).
- Beim Bürgergeld gelten in der Regel höhere Freibeträge als bei der Sozialhilfe.
- Vermögensumwandlung ist kein Einkommen – Nachweise bereithalten.
III. Häufige Fragen
- Was ist der Unterschied zwischen Einkommen und Vermögen?
Einkommen ist, was im laufenden Monat zufließt (z. B. Lohn, Rente, Zinsen). Vermögen sind vorhandene Werte (z. B. Sparguthaben, Auto, Haus). - Wann gilt eine Zuwendung als Einkommen?
Nur wenn eine rechtliche oder sittliche Pflicht besteht – z. B. regelmäßige Unterstützung durch Angehörige (§ 11a SGB II). - Darf ich mein Vermögen kurz vor Antragstellung verschenken?
Vorsicht: Das kann als sozialwidrig gewertet werden (§ 34 SGB II). - Was gilt beim Auto als Schonvermögen?
Beim Bürgergeld gilt je Person in der Bedarfsgemeinschaft ein angemessenes Kfz als geschützt (§ 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II). Die Angemessenheit beurteilt sich nicht schematisch nach einem festen Euro-Betrag, sondern nach Wert, Alter, Nutzung und Zweckmäßigkeit; Mehrwert kann anerkannt sein, wenn es beruflich erforderlich oder sonst atypisch ist.
In der Sozialhilfe (SGB XII) gelten eigene Angemessenheits-/Verwertbarkeitskriterien.
IV. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen
Weiterführend zu Hinzuverdienst und Schonvermögen, zur Berechnung des Bürgergeldes und der Sozialhilfe:
§ 11 SGB II · § 12 SGB II · § 11 a SGB II · § 11 b SGB II · § 82 SGB XII · § 90 SGB XII.



Splitthoff says
Der Begriff Einkommen ist nicht klar abgegrenzt. Pauschal heißt es vorliegend nur, das zum Einkommen auch das Kindergeld zählt.
Gem. § 82 SGB XII jedoch wird das Kindergeld beim Kind angerechnet.
Daher keine Verunsicherung: Ich beziehe Grundsicherung für Ältere SGB XII und meine Tochter hat keinerlei Leistungen beantragt. Ich jedoch erhalte das Kindergeld für meine Tochter. Wird das Kindergeld nun bei mir angerechnet oder nicht?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Splitthoff,
so ganz verstehe ich die Frage bzw. die Konsequenzen der Frage nicht.
§ 82 Abs. 1 S. 2 SGB XII regelt allerdings:
Im Ergebnis ergibt sich so eine Anrechnung des Kindergeldes. Die Anrechnung von Einkommen wirkt dann im Ergebnis leistungsmindernd. Dies gilt jedenfalls, wenn eine Haushaltsgemeinschaft bestehen sollte.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Heinz Peter Zmuda says
Guten Tag,
ich stehe vor folgendem Problem: Ich beziehe seit 2 Jahren Arbeitslosengeld II. Nun tauchte plötzlich eine Lebensversicherung auf, von der ich dachte sie vor 30 Jahren gekündigt zu haben, die zur Auszahlung bereit ist (ca. 4000,- Euro). Meine Frage ist jetzt handelt es sich um Vermögen da die Versicherung schon bestand als ich meinen Hartz 4 Antrag stellte oder gilt die Auszahlung als Einkommen?
Ich würde mich sehr freuen wenn diese Frage beantwortet werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Zmuda
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Zmuda,
nach meiner ersten rechtlichen Einschätzung war Ihre Lebensversicherung zum Zeitpunkt der Antragsstellung vor zwei Jahren als „Vermögen“ zu betrachten.
Durch die Auszahlung kann Vermögen nicht zu Einkommen werden.
Sollten Sie allerdings zum Zeitpunkt der Antragstellung über zu hohes Vermögen oberhalb der in § 12 SGB II benannten Freibeträge verfügt haben („grobe“ Berechnung des Freibetrages: Lebensalter x 150,00 €), so müssen Sie ggf. mit einem Erstattungsbescheid des Jobcenters rechnen.
Grüße
Sönke Nippel
U. Henze says
Hallo,
meine Mutter könnte Grundsicherung im Alter beantragen, hat aber ein Bankguthaben (Sparbuch und Konto) in Höhe von 3.500 €. Zusätzlich besitzt sie eine Kapitalversicherung auf den Todesfall (4.000 €), die nur beim Tod meiner Mutter ausgezahlt wird.
Kann sie trotzdem Grundsicherung beantragen und bleibt die Kapitalversicherung bestehen um irgendwann zur Beerdigung genutzt zu werden.
Mit freundlichen Grüßen
U. Henze
Robert Dauwe says
hallo,
ich habe seit 2015, vor Antragstellung Hartz 4, einen zivilrechtlichen Anspruch für damals durch mich getätigte Anschaffungen an meinen ehemaligen Lebensgefährten. Sollten jetzt im Bezugszeitraum die Zahlungen aus diesem Anspruch erfolgen, wäre das Geld dann als Vermögen oder als Einkommen zu werten?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
… Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt damit als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als „bereites Mittel“ zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010, B 14 AS 46/09 R, JURIS Rdnr. 15 – vergleichen Sie dazu auch den Artikel „Darlehen als zu berücksichtigende Einnahme„).
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Anja Minhöfer says
Guten Tag,
ich betreue einen jungen Mann, der in einer stationären Einrichtung lebt und Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII vonseiten des überörtlichen Leistungsträgers erhält (LWV Hessen). Nun wurde ihm mitgeteilt, dass er Erbe geworden ist. Die Erbschaft beläuft sich auf 2.222,22 Euro. Der Erbe ist am 22.12.2015 verstorben. Handelt es sich bei der Erbschaft um Vermögen oder Einkommen. Mein Betreuter hätte einen aktuellen Schonbetrag in Höhe von 5000,- Euro, Rücklagen sind nicht vorhanden. Der LWV möchte, dass mein Betreuter die gesamte Erbschaft als Einkommen einsetzt. Demnach würde ihm kein Schonbetrag verbleiben. Ist der Anspruch berechtigt?
Herzliche Grüße
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Minhöfer,
evtl. hilft Ihnen zum besseren Verständnis der Artikel „Erbschaft – Einkommen oder Vermögen im Sinne des SGB II“ weiter.
Im Bereich der Sozialhilfe nach dem SGB II gilt Ähnliches. Auch hier sind Erbschaften Einkommen, wenn sie im Bedarfszeitraum anfallen. Sie müssen auf einen angemessenen Zeitraum aufgeteilt werden. Hierzu wird dann auf die DVO zu § 82 SGB VII verwiesen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Daniel Dirks says
Hallo,
ich beziehe seit knapp zwei Jahren Sozialhilfe. Mein Vater ist vor knapp vier Jahren verstorben und hat mir unter anderem einen Investmentfond hinterlassen. Dieser war zum Zeitpunkt des Erbes nur knapp 1000 Euro wert und ist kürzlich auf knapp 5000 Euro gestiegen, womit ich niemals gerechnet hätte. Bevor sein Wert möglicherweise wieder fällt, möchte ich ihn mir auszahlen lassen. Wird dies dann als Vermögen oder Einkommen gewertet? Geerbt habe ich den Fond ja lange Zeit VOR meiner Antragsstellung. (Als Inhaber des Fonds wird nach wie vor mein Vater geführt.)
Mit freundlichen Grüßen
Daniel
Tenore says
Hallo, eine kurze Frage …
Ich arbeite in Teilzeit und bekomme eine Aufstockung von dem Jobcenter, jetzt zu meiner Frage: da der Job Sonn-/und Feiertagszuschläge beinhaltet, inwieweit darf das Jobcenter diese Zuschläge anrechnen oder mit berechnen?
Liebe Grüße riccarda tenore
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Tenore,
soweit ich informiert bin, wird Einkommen leistungsmindernd bei der Berechnung Ihres Anspruches berücksichtigt. Aus welchen Bestandteilen sich das Einkommen zusammensetzt, ist meines Erachtens unbeachtlich. Sonderregelungen für Feiertagszuschläge sind mir nicht bekannt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Christine zu Klampen says
Guten Tag, Herr Nippel,
1) Ihre Internetseite finde ich supergut! Inhaltlich aufschlussreich und auch der Aufbau ist logisch und übersichtlich. Danke!
2) Erinnere ich richtig?: Bezahlung für Ehrenamt wird auf die Grundsicherung angerechnet?
Wenn ja, dann gibt es wohl eine Neuerung. Folgen Sie doch mal dem nachfolgenden Link:
Link:
Freundliche Grüße von Christine zu Klampen, Laatzen
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau zu Klampen,
ja, danke für den Hinweis! Besprochen habe ich dieses Thema u. a. in dem Beitrag
Der erhöhte Grundfreibetrag bei ehrenamtlich Tätigen und im Ferienjob
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Pasche says
Hallo,
ich ziehe zum 15.6.19 von Uelzen nach HH und benötige dort wie auch in Uelzen ergänzende Sozialhilfe (beziehe vorgezogene Altersrente für Schwerbehinderte).
Ende August werde ich für meine alte Whg. die Kaution zurück bekommen, die ich 2012 als Darlehen vom Jobcenter bekam und 17 Monate Monat für Monat mit 30 € von meinem Regelsatz abzahlte ….. seitdem ist es also mein Geld und gür mich insofern Vermögen. Das Sozialamt in HH ist der Meinung, es wäre bei der Auszahlung Einkommen und mir somit voll anzurechnen.
Es kann doch nicht sein, dass ich das Kautions-Darlehen mühsehlig vom Regelsatz abzahle und mir die Kaution nun auch noch sozusagen weggenommen wird …. bitte helfen Sie mir!
Mit freundlichen Grüßen
Ch. Pasche
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
zu dem von Ihnen angesprochenen Thema gibt es – soweit ich mich erinnere – Urteile.
Die Kaution ist Vermögen. Die Rückzahlung der Kaution ist Vermögensumwandlung.
Sollte allerdings Ihr Vermögen (Barvermögen und sonstiges Vermögen zuzüglich der Kaution) über den Schongrenzen (für Sie wahrscheinlich 5.000 €) liegen, dann müssen Sie Ihr Vermögen auch einsetzen, bevor Sie Leistungen erhalten.
Das Sozialamt HH dürfte also falsch liegen, solange Sie kein Vermögen über 5.000 € haben.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Künstlerin says
Vermögen und Einkommen SGB XII
Sehr geehrter Herr Nippel,
ich bin professionell arbeitende Malerin, 74, selbstständig tätig und bin durch die Corona-Pandemie in finanzielle Schwierigkeiten geraten, da keine Bilder verkauft werden konnten, weil Galerien geschlossen, Ausstellungen abgesagt wurden etc.
Deshalb habe ich Ende März 2020 für meine private Lebensführung auf Empfehlung des Kultusministeriums NRW Grundsicherung beantragt. Die Betriebskosten für mein Atelier konnte ich durch erhaltene Stipendien abdecken. Da ich eine kleine Rente beziehe, ist das Sozialamt zuständig, welches die Grundsicherung lediglich als Darlehen bewilligt. Das Sozialamt ging von vornherein davon aus, dass meine im Atelier befindlichen Bilder Bilder erhebliches verwertbares Vermögen darstellen. Inzwischen habe ich mich viel mit Gesetzestexten befassen müssen. Mein Widerspruch ist nicht akzeptiert worden. Seit zwei Jahren schwebt die Rückforderung des Geldes wie ein Damoklesschwert über mir. Ich hoffe, Mitte diesen Jahres wieder von meiner Kunst leben zu können, so dass ich keine Sozialhilfe mehr benötige. Wie kann ich erreichen, dass nach § 90 SGB XII, Abs.3 entschieden wird?
Nun hatte ich im Dezember 2021 erstmalig Einnahmen aus Bilderverkäufen in Höhe von 900 Euro durch Galerien. Dieser Betrag wird vom Sozialamt laut §82 SGB XII zurückgefordert und man unterstellt mir Leistungsmissbrauch. Die im Dezember weit höheren Ausgaben (Ateliermiete, Nebenkosten, Betriebshaftpflicht etc.) werden nicht anerkannt. Muss hier nicht § 82 SGB XII, Abs.2 Nr.4 angewendet werden? Ich weiß nicht, wie ich dagegen vorgehen kann und habe den Eindruck, KünstlerInnen fallen durch ein Raster!!
Kennen Sie evtl. ähnliche Fälle? Gibt es Ansprechpartner bei amtlichen Stellen?
Für Ihren Rat danke ich Ihnen sehr.
Mit freundlichem Gruss aus Köln
U. S.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Künstlerin,
Sie sprechen – im Ergebnis nachvollziehbar – die Regelungen in § 90 SGB XII an: Schon beim ersten Lesen der Vorschrift könnten hier einige Regelungen in Betracht kommen, um die Bilder als „Schonvermögen“ zu betrachten.
Dass im Ergebnis eine „Saldierung“ Ihrer Einkünfte und Ihrer Ausgaben nicht erfolgt, verstehe ich einfach nicht. Meines Erachtens zutreffend weisen Sie u. a. auf § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII hin. Wie das Jobcenter auch muss das Sozialamt nicht nur „eigentlich“ die Ausgaben – ähnlich dem Steuerrecht – berücksichtigen. Dies tun die Sozialämter in der Regel auch. Allerdings müssen auch Einnahmen berücksichtigt werden. Grob formuliert: Die im Laufe eines Monats erzielten Einnahmen sind um die im Laufe eines Monats erzielten Ausgaben zu kürzen und leistungsmindernd zu berücksichtigen.
Wie Sie dagegen vorgehen können ist klar: gemäß der Rechtsmittelbelehrung müssen Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Gegen einen eventuell abweisenden Widerspruchsbescheid müssen Sie Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erheben.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Ines says
Hallo,
mein aktueller Bewilligungszeitraum im ALG2-Bezug läuft mit dem 30.04.2022 aus. In meinem Aktiendepot befinden sich Optionsscheine (ca. 5000 €), die ich gern im Mai verkaufen und die Gewinne auf mein Girokonto überweisen möchte. KdU, Krankenkassenbeiträge u. ä. würde ich für diesen einen Monat aus den Gewinnen bestreiten. Liege ich richtig in der Annahme, dass ich durch erneute Antragstellung für ALG 2 ab Juni 2022 den Rest dieser Einkommensgewinne zum Vermögen gemacht habe, welches es zu schonen gilt?
Genauer gefragt: Führt die Unterbrechung des ALG2-Bezuges und der Neuantrag dazu, dass ich Schonvermögen schaffen kann?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Ines,
haben Sie die Optionsscheine bisher nicht in den Angaben zu Ihrem Vermögen angegeben? Welchen Wert haben die Optionsscheine heute (noch im April, in dem Sie ja noch Leistungen erhalten)?
Jedenfalls wenn Sie Gewinne nur im Mai realisieren und wenn die im Mai bei den Optionsscheinen erzielten Gewinne dazu führen würden, dass Sie keine Leistungen erhalten würden, dann könnten Sie hinsichtlich der Gewinne eventuell Schonvermögen schaffen. Allerdings scheinen mir die vorliegenden Ausführungen „recht theoretisch“ zu sein. Wenn nämlich jetzt schon die Optionsscheine einen Wert hätten, der die Vermögensgrenzen übersteigt, dann müssten Sie befürchten, dass die Leistungen für den Monat April zurückgefordert würden.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Bernhard Unger says
Guten Tag,
ich wechsele auf Grund von Erwerbsunfähigkeit am 01.06.2025 vom Bürgergeld in die Grundsicherung nach SGB2. Der Landkreis will mir nun einen Erlös vom EUR 300,00 aus dem Verkauf eines alten Handys als Einkommen abbrechen. Ist dies Rechtens? Zählt ein Handy (kein Luxusgerät) nicht zum Hausrat? Oder ist es Vermögen und damit bis 5000€ frei?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Unger,
die Grundsicherung im Alter ist im SGB XII geregelt, Bürgergeld im SGB II.
Der Freibetrag für kleinere Barvermögen beträgt 10.000,00 €, § 1 – Kleinere Barbeträge
Kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte im Sinne des § 90 Abs. 2 Nummer 9 SGB XII sind:
1. … 10 000 Euro,
2. …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 1 Nr. 1 der DVO.
Bei der Verwertung des Handys im Rahmen kleinerer Barbeträge entsteht kein einzusetzendes Einkommen.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt