Rechtsanwalt und Sozialrecht

von Rechtsanwalt Sönke Nippel in Remscheid

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Beitrag aufgelistet in: Allgemeines Sozialrecht – … - Einführung » 3. SGG

Klage beim Sozialgericht – Klagearten nach dem SGG erklärt

Beitrag vom 29.01.2024, aktualisiert am 02.10.2025

VG Wort - ZählpixelWer im Sozialrecht mit einem Widerspruch nicht weiterkommt, kann Klage beim Sozialgericht erheben. Nur ausnahmsweise ist die Durchführung des Widerspruchsverfahrens entbehrlich. Das Verfahren ist in der Regel gerichtskostenfrei und in vielen Fällen auch ohne Anwalt möglich. Damit ist die Klage neben dem Widerspruch das wichtigste Rechtsmittel, um Entscheidungen von Jobcenter, Rentenversicherung, Krankenkassen oder anderen Leistungsträgern überprüfen zu lassen.

Die sozialrechtliche Klage ist im Sozialgerichtsgesetz (SGG) geregelt. Welche Voraussetzungen gelten, wie die Klageschrift aussehen muss und welche Klagearten es gibt, zeigt dieser Beitrag Schritt für Schritt.

  • I. Zuständigkeit & Rechtsweg
  • II. Fristen & Form der Klageschrift
  • III. Klagearten im Sozialrecht
  • IV. Ablauf des Klageverfahrens
  • V. Kosten & Prozesskostenhilfe
  • VI. Berufung, Revision & Beschwerde
  • VII. Häufige Fragen
  • VIII. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

I. Zuständigkeit & Rechtsweg

Zuständig für die meisten Klagen im Sozialrecht sind die Sozialgerichte. Welche Rechtsgebiete hierher gehören, regelt § 51 Abs. 1 SGG. Dazu zählen unter anderem:

  • Streitigkeiten nach dem SGB II (Bürgergeld, Jobcenter)
  • Streitigkeiten nach dem SGB III (Arbeitslosengeld, Sperrzeiten)
  • Streitigkeiten nach dem SGB V (Krankenkassen, Krankengeld, Leistungen der GKV)
  • Streitigkeiten nach dem SGB VI (Rentenversicherung, Erwerbsminderungsrente)
  • Streitigkeiten nach dem SGB VII (Unfallversicherung, Wegeunfälle)
  • Streitigkeiten nach dem SGB IX (Schwerbehindertenrecht, Feststellung GdB)
  • Streitigkeiten nach dem SGB XII (Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter)

Nicht alle sozialrechtlichen Bereiche fallen jedoch unter die Zuständigkeit der Sozialgerichte:

  • Für Kindergeld ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.
  • Für Leistungen nach dem BAföG, dem WoGG (Wohngeld) und der Jugendhilfe (SGB VIII) sind die Verwaltungsgerichte zuständig.

Damit gilt: Vor Klageerhebung muss stets geprüft werden, ob der richtige Rechtsweg gewählt ist. Ein falscher Rechtsweg führt regelmäßig zur Unzulässigkeit der Klage.

II. Fristen & Form der Klageschrift

Für eine erfolgreiche Klage im Sozialrecht sind vor allem zwei Punkte entscheidend: die richtige Frist und die korrekte Form.

1. Klagefristen

  • Allgemeine Klagefrist: Nach § 87 SGG ist die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids zu erheben.
  • Auslandszustellung: Befindet sich der Kläger im Ausland, beträgt die Klagefrist drei Monate.
  • Untätigkeitsklage: Nach § 88 SGG ist die Klage zulässig, wenn die Behörde über einen Antrag oder Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten entschieden hat.

2. Form der Klage

Die Klage muss schriftlich beim Sozialgericht eingereicht werden. Auch ein Fax ist ausreichend, eine E-Mail hingegen nicht. Zulässig ist zudem die Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.

Eine anwaltliche Vertretung ist in der ersten Instanz nicht erforderlich, kann aber sinnvoll sein. Ab der Berufung beim Landessozialgericht (§ 73 SGG) gilt der Anwaltszwang.

3. Inhaltliche Mindestanforderungen

  • Bezeichnung des Klägers (Name, Anschrift)
  • Bezeichnung des Beklagten (meist die Behörde, z. B. Jobcenter oder Krankenkasse)
  • Angabe des Bescheides, gegen den sich die Klage richtet (mit Datum und Aktenzeichen, soweit bekannt)
  • Darstellung des Klagebegehrens (z. B. höhere Leistungen, Aufhebung eines Bescheides)

Die Klage soll zudem einen bestimmten Antrag enthalten (§ 92 SGG) und die wesentlichen Tatsachen sowie vorhandene Beweismittel benennen. Der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sollten in Abschrift beigefügt werden.

III. Klagearten im Sozialrecht

Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) kennt mehrere Klagearten. Welche Klageart im Einzelfall einschlägig ist, hängt vom Ziel der Klage ab. Die wichtigsten sind:

1. Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG)

Mit der Anfechtungsklage wird die Aufhebung eines Bescheids begehrt.

Beispiel für einen Antrag:
Der Bescheid des Beklagten vom … in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … wird aufgehoben.

2. Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG)

Mit der Verpflichtungsklage verlangt der Kläger, dass die Behörde einen beantragten Verwaltungsakt erlässt.

Beispiel:
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in Höhe von … € zu gewähren.

3. Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG)

Die Leistungsklage richtet sich direkt auf eine Zahlung oder Leistung, wenn kein Verwaltungsakt vorliegt.

Beispiel:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500 € zu zahlen.

4. Feststellungsklage (§ 55 SGG)

Mit der Feststellungsklage soll das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden.

Beispiel:
Es wird festgestellt, dass der Kläger ab dem … als schwerbehindert mit einem GdB von 50 einzustufen ist.

5. Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 SGG)

Sie wird genutzt, wenn sich ein Verwaltungsakt bereits erledigt hat, aber noch die Rechtswidrigkeit festgestellt werden soll.

Beispiel:
Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom … rechtswidrig war

6. Kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG)

Hier wird zugleich die Aufhebung eines Bescheides und die Verurteilung zur Leistung beantragt.

Beispiel:
Der Bescheid vom … wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, dem Kläger weitere Leistungen in Höhe von … € zu zahlen.

7. Untätigkeitsklage (§ 88 SGG)

Wenn die Behörde über einen Antrag oder Widerspruch nicht innerhalb von drei Monaten entschieden hat, ist eine Untätigkeitsklage möglich.

Beispiel:
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom … zu entscheiden.

IV. Ablauf des Klageverfahrens

Das Verfahren startet mit der Einreichung der Klage beim zuständigen Sozialgericht (§ 90 SGG). Mit Eingang wird die Sache rechtshängig (§ 94 SGG).

  1. Prüfung & Stellungnahme – Das Gericht prüft Zulässigkeit und leitet die Klage zur Stellungnahme an den Leistungsträger weiter.
  2. Amtsermittlung – Das Gericht ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen (§ 103 SGG), z. B. durch Aktenbeiziehung, Gutachten, Zeugen.
  3. Mündliche Verhandlung – In der Regel mit Erörterung der Sach- und Rechtslage (§ 124 SGG). Vergleich möglich.
  4. Entscheidung & Kosten – Urteil (§ 136 SGG) und Kostenentscheidung nach § 193 SGG.

Kein Anwaltszwang vor dem Sozialgericht; Vertretungszwang gilt erst vor BSG (§ 73 SGG).

V. Kosten & Prozesskostenhilfe

Welche Kosten entstehen bei einer Klage vor dem Sozialgericht?

Das Verfahren vor den Sozialgerichten ist gerichtskostenfrei. Anders als bei Zivilgerichten fallen also keine Gerichtsgebühren an.

Ein Kostenrisiko besteht nur in Bezug auf Anwaltskosten. In der ersten Instanz besteht kein Anwaltszwang, die Hinzuziehung eines Fachanwalts für Sozialrecht ist aber häufig sinnvoll.

Wer sich die Kosten eines Anwalts nicht leisten kann, hat die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen, § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO. Wird diese bewilligt, übernimmt die Staatskasse die Kosten ganz oder teilweise, abhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Hinweis:
Bei Unterliegen im Verfahren muss der Kläger in der Regel nicht die Kosten des gegnerischen Anwalts tragen. Dies unterscheidet das Sozialgerichtsverfahren von Verfahren vor den Zivilgerichten.

Vertiefend zur Gerichtskostenfreiheit:

  • Gerichtskosten im Sozialgericht – Kostenfreiheit nach § 183 SGG & Ausnahmen (§ 192 SGG)

    Verfahren vor dem Sozialgericht sind nach § 183 SGG in der Regel gerichtskostenfrei. Welche Ausnahmen es gibt (§ 192 SGG) und wann Kosten nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) anfallen.

    ... | mehr

VI. Rechtsmittel im sozialgerichtlichen Verfahren

Nicht jede Entscheidung des Sozialgerichts ist endgültig. Gegen Urteile oder Beschlüsse können verschiedene Rechtsmittel eingelegt werden. Welche das sind, hängt vom Streitwert und der Bedeutung des Falles ab.

1. Berufung

Die Berufung ist das wichtigste Rechtsmittel gegen Urteile der Sozialgerichte. Sie wird beim Landessozialgericht eingelegt, § 143 SGG.

Voraussetzung: Der Streitwert muss über 750 € liegen oder das Sozialgericht hat die Berufung ausdrücklich zugelassen, § 144 SGG.

2. Revision

Gegen Urteile der Landessozialgerichte ist die Revision zum Bundessozialgericht möglich, § 160 SGG.

Die Revision wird nur zugelassen, wenn grundsätzliche Rechtsfragen geklärt werden müssen oder wenn das Urteil von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht.

3. Beschwerde

Gegen Beschlüsse (z. B. im einstweiligen Rechtsschutz oder bei Prozesskostenhilfe) steht die Beschwerde zur Verfügung, § 172 SGG.

Über die Beschwerde entscheidet das nächsthöhere Gericht.

Tipp:
Wer ein Rechtsmittel in Erwägung zieht, sollte die kurzen Fristen beachten (Berufung und Revision: 1 Monat, Beschwerde: 2 Wochen). Eine anwaltliche Beratung ist hier regelmäßig sinnvoll.

VII. Häufige Fragen zur Klage

  • Kann man ohne Anwalt vor dem Sozialgericht klagen?
    Ja. Vor den Sozialgerichten besteht in der ersten Instanz kein Anwaltszwang. Erst vor dem Bundessozialgericht ist ein Anwalt zwingend erforderlich.
  • Wie lange dauert ein Klageverfahren beim Sozialgericht?
    Das hängt vom Einzelfall ab. Einfache Verfahren können in wenigen Monaten entschieden werden, komplexe Verfahren dauern oft mehrere Jahre.
  • Welche Kosten entstehen bei einer Klage?
    Das Verfahren vor den Sozialgerichten ist gerichtskostenfrei. Kosten entstehen nur durch eine anwaltliche Vertretung, die ggf. über Prozesskostenhilfe gedeckt werden kann.
  • Was passiert, wenn das Sozialgericht nicht entscheidet?
    Wenn ein Verfahren unangemessen lange dauert, kann eine Untätigkeitsklage nach § 88 SGG erhoben werden.

VIII. Weiterführende Beiträge & Rechtsgrundlagen

Weiterführend zu Widerspruch, Klage & Rechtsmittel:

  • Widerspruchsverfahren Sozialrecht: Fristen, Form & Ablauf

    Widerspruch im Sozialrecht einfach erklärt: Monatsfrist & Fristberechnung, Form (Unterschrift), aufschiebende Wirkung, Akteneinsicht, Dauer (3 Monate), Kosten & Kostenerstattung

    ... | mehr
  • Die Berufung gegen Entscheidungen der Sozialgerichte

    ... Übersicht zu den Grundsätzen des Berufungsrechts im Sozialrecht ... | ... die Berufung muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils erfolgen

    ... | mehr
  • Änderungsbescheid - Wirkung des Widerspruchs und der Klage

    ... nach § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG hat ein Änderungsbescheid, der die laufende Leistung herabsetzt oder entzieht, keine aufschiebende Wirkung ...

    ... | mehr
  • Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Erstattungsbescheid

    ... Widerspruch und Klage gegen einen Erstattungsbescheid des Jobcenters haben trotz gesetzlicher Anordnung des Sofortvollzuges aufschiebende Wirkung ...

    ... | mehr
Siehe auch:
SGG · § 51 SGG · § 54 SGG · § 55 SGG · § 88 SGG · § 92 SGG · § 94 SGG · § 103 SGG · § 131 SGG · § 193 SGG.

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