§ 90 SGB XII – Einzusetzendes Vermögen
(13 Beiträge mit § 90 SGB XII – Einzusetzendes Vermögen)
1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
- (1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.
- (2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
- 1. eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
- 2. eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
- 3. eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
- 4. eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
- 5. von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
- 6. von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
- 7. von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
- 8. eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
- 9. kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
- 10. eines angemessenen Kraftfahrzeuges.
- (3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
👉 Systematik: SGB XII
2. Kommentierung
a) Ausgangspunkt & Begriff
§ 90 SGB XII regelt den Einsatz von Vermögen. Die Vorschrift führt den Begriff des Vermögens ein, ohne ihn zu definieren. Nach Abs. 1 ist das gesamte verwertbare Vermögen grundsätzlich einzusetzen. Nach der Rspr. des BSG fallen hierunter alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst sind auch Forderungen/Ansprüche gegen Dritte, soweit sie nicht dem Einkommen zuzurechnen sind.
b) Abgrenzung zum Einkommen (Zuflusstheorie)
Die Bestimmung des Vermögens erfolgt in Abgrenzung zum Einkommen nach § 82 SGB XII. Bei der Abgrenzung ist die Zuflusstheorie maßgeblich: Zufluss in der Bedarfszeit = Einkommen; bereits zuvor vorhandene Mittel = Vermögen. Mittel, die erst in der Bedarfszeit zugehen, sind regelmäßig Einkommen; was aus früherem Einkommen noch vorhanden ist, wird Vermögen. Einmaleinkommen kann ggf. in Teilbeträgen berücksichtigt werden.
c) Schonvermögen (Abs. 2)
Abs. 2 benennt Ausnahmen (Schonvermögen), u. a.:
- aus öffentlichen Mitteln aufgebautes Existenz-/Hausstandsvermögen (Nr. 1),
- gefördertes Altersvorsorgevermögen (Nr. 2),
- sonstiges zweckbestimmtes Vermögen (Nr. 3),
- angemessener Hausrat (Nr. 4),
- eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und ...
weiterführend: - kleinere Barbeträge/sonstige Geldwerte (Nr. 9) – Schwelle gem. DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (seit 2023 10.000 €),
Zu den „sonstigen Geldwerten“ (Nr. 9) zählen z. B. Girokonto, Sparbrief etc. Ein Pkw ist kein „sonstiger Geldwert“ – kann aber mittelbar über Nr. 9 geschont sein (Schutz des erzielbaren Erlöses). Zusätzlich besteht der eigenständige Schutz als angemessenes Kfz (Nr. 10). Ein Pkw oberhalb der Schongrenze ist selbst nicht geschützt; der Erlös kann aber über Nr. 9 geschont sein.
- angemessenes Kraftfahrzeug (Nr. 10)
weiterführend:Zusätzlich zu Nr. 9 besteht der eigenständige Schutz als angemessenes Kfz (Nr. 10). Ein Pkw oberhalb der Schongrenze ist selbst nicht geschützt; der Erlös kann aber über Nr. 9 geschont sein.
d) Härteklausel (Abs. 3)
Abweichungen zugunsten des Antragstellers sind möglich, wenn andernfalls eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
e) Praxisbeispiel
Kleines Sparguthaben + Mittelklasse-Pkw: Liegt das Sparguthaben unter der DVO-Schwelle, ist es nach Nr. 9 geschont. Der Pkw kann unabhängig davon als angemessenes Kfz (Nr. 10) geschützt sein; bei höherem Fahrzeugwert zusätzlich mittelbarer Schutz des Veräußerungserlöses über Nr. 9 prüfen.
3. Beitragsliste
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