§ 11 SGB II – zu berücksichtigendes Einkommen
(13 Beiträge mit § 11 SGB II – zu berücksichtigendes Einkommen)
1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
- (1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.
- (2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.
- (3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.
2. Kommentierung
I. Allgemeines
§ 11 SGB II ist die zentrale Norm zur Berechnung der Leistungen, wenn der Leistungsempfänger Einkommen in nicht bloß geringfügigem Umfang erzielt.
Einkommen ist bei den Leistungen bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
II. Einkommen vs. Vermögen
Einkommen ist für den Bedarfszeitraum gemäß der Zuflusstheorie, die schon zum BSHG (Bundessozialhilfegesetz) entwickelt wurde, zu berücksichtigen. Die Einnahmen müssen im Bedarfszeitraum zufließen.
Einkommen ist vom Vermögen strikt zu unterscheiden. Die grundlegende Regelung zum Vermögen enthält § 12 SGB II.
III. Absatz 1 – Definition und ausdrückliche Ausnahmen
§ 11 Abs. 1 S. 1 SGB II definiert das Einkommen ab der Reform 2016 nur noch als "Einnahmen in Geld" unter Verweis auf nicht zu berücksichtigende Einnahmen in Geld gemäß § 11a SGB II. Sachwerte ab 2016 sind also keine Einnahmen mehr und fließen daher dem Vermögen zu.
Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz SGB II z. B. in § 10 Abs. 1 und § 10 Abs. 5 S. 1 BEEG und § 13 Abs. 5 SGB XI enthalten.
Einnahmen in Geldeswert werden nicht bzw. gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 SGB II nur ausnahmsweise berücksichtigt. Ausnahmsweise zu berücksichtigende Einnahmen in Geldeswert werden in Satz 2 und 3 (Einnahmen aus dem Bundesfreiwilligendienst und Jugendfreiwilligendienst und darlehensweise gewährte Sozialleistungen) genannt. Die ausdrückliche Regelung zu den darlehenswiese gewährten Sozialleistungen bedeutet im Umkehrschluss, dass andere darlehensweise erzielte Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Sie werden nur vorübergehend zur Verfügung gestellt.
IV. Absatz 2 – Zuflussprinzip
Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 SGB II gilt ab dem 1. Juli 2023 strikter als bisher, dass Einkommen nur noch in dem Monat angerechnet wird, in dem es zufließt. Ein "Überschuss" aus Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen zufließen wird dann ggf. in Vermögen umgewandelt und nicht mehr - wie vor der Reform gemäß Abs. 2 S. 3 alter Fassung - auf einen künftigen Zeitraum von sechs Monaten aufgeteilt.
V. Absatz 3 – Nachzahlungen
Vom Zuflussprinzip wird allerdings bei Nachzahlungen abgewichen, § 11 Abs. 3 SGB II. Nachzahlungen werden - würde der Leistungsanspruch durch die Nachzahlung für diesen Monat entfallen - auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufgeteilt. Eine Steuererstattung soll keine Nachzahlung im Sinne des § 11 Abs. 3 SGB II sein.
VI. Absetzbeträge (Verweis)
§ 11b SGB II regelt die Absetzbeträge vom Einkommen.
Zur Berücksichtigung des Hinzuverdienstes, der Absetzbeträge und der Freibeträge gemäß § 11 b SGB II habe ich den folgenden Beitrag gefertigt.
VII. Verhältnis zu § 82 SGB XII
Die Vorschriften der §§ 11 ff. SGB II zum Einkommen korrespondieren nur teilweise mit § 82 SGB XII. Allerdings sind seit dem 1. August 2016 beim Hartz 4 Einnahmen in Geldeswert abweichend von § 82 SGB XII Vermögen statt Einkommen. Die Systeme des SGB II und des SGB XII sind also nicht aufeinander abgestimmt. Dies kann bei der Einkommensanrechnung zu Problemen führen.
VIII. Entstehungsgeschichte (BT-Drs. 15/1516)
BT-Drs. 15/1516 (2003 – Einführung SGB II)
Der Entwurf (BT-Drs. 15/1516, S. 53) definiert Einkommen als „Einnahmen in Geld“. Nicht zu berücksichtigen sind Einnahmen, die durch andere Vorschriften ausdrücklich geschützt sind. Schon im Entwurf wird auf die Zuflusstheorie Bezug genommen. Spätere Begründungen (BT-Drs. 17/1465, 2010) betreffen das Elterngeld, während BT-Drs. 18/8041 (2016) die Abgrenzung Geld/Sachleistung präzisiert. Mit der Reform sollte Klarheit geschaffen werden, welche Einnahmen das Existenzminimum mindern und welche sozialpolitisch geschützt bleiben.
➡️ BT-Drs. 15/1516 ·
➡️ BT-Drs. 17/1465 ·
➡️ BT-Drs. 18/8041
§ 11a SGB II · § 11b SGB II · § 12 SGB II · Zuflusstheorie · Einkommen · Vermögen · § 13 SGB XI · § 10 BEEG · § 82 SGB XII.
3. Beitragsliste
In den folgenden Beiträgen habe ich § 11 SGB II angesprochen:
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