Nr. 1006 VV-RVG – Einigungs- und Erledigungsgebühr im gerichtlichen Verfahren
(2 Beiträge zum Stichwort "Nr. 1006 VV-RVG – Einigungs- und Erledigungsgebühr im gerichtlichen Verfahren")
1. Nr. 1006 VV-RVG - Einigungs- und Erledigungsgebühr im gerichtlichen Verfahren (Gesetzestext)
1006 |
| in Höhe der Verfahrensgebühr |
👉 enthalten in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG
2. Kommentierung
Einordnung
Nr. 1006 VV-RVG regelt die Einigungs- und Erledigungsgebühr im gerichtlichen Verfahren in Angelegenheiten mit Betragsrahmengebühren gemäß § 3 RVG. Sie ist das gerichtliche Pendant zu Nr. 1005 VV-RVG (außergerichtliche Verfahren) und findet insbesondere bei Verfahren vor den Sozialgerichten Anwendung. Grundlage für die Bemessung ist stets die in der jeweiligen Instanz entstandene Verfahrensgebühr. Damit knüpft die Vorschrift eng an die Systematik des RVG an und stellt sicher, dass die Einigungs- oder Erledigungsgebühr die Bedeutung und Schwierigkeit des jeweiligen gerichtlichen Verfahrens widerspiegelt.
Keine eigenen Rahmen – Anknüpfung an Verfahrensgebühr
Nr. 1006 VV-RVG enthält keinen selbstständigen Gebührenrahmen, sondern verweist auf die für das Verfahren maßgebliche Verfahrensgebühr. Bei sozialgerichtlichen Verfahren ist dies regelmäßig Nr. 3102 VV-RVG (Rahmen 65,00 bis 837,00 €), für Verfahren vor dem Landessozialgericht Nr. 3205 VV-RVG und beim Bundessozialgericht Nr. 3213 VV-RVG. Die Höhe der Einigungs- oder Erledigungsgebühr bemisst sich damit unmittelbar nach der konkret bestimmten Verfahrensgebühr der jeweiligen Instanz. Eine Anrechnung bereits entstandener Geschäftsgebühren aus dem Vorverfahren (Widerspruch) bleibt ohne Einfluss. Ebenso bestimmt die Anmerkung ausdrücklich, dass ein Zuschlag nach Nr. 1008 VV-RVG nicht berücksichtigt wird.
Tatbestände „Einigung“ und „Erledigung“
Unter einer Einigung ist ein vertraglicher Akt zu verstehen, durch den ein bestehender Streit oder eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis durch gegenseitiges Nachgeben beendet wird. Ein „echter Vergleich“ im Sinne von § 779 BGB ist nicht erforderlich, ausreichend ist ein Vertrag, der Streitfragen verbindlich bereinigt. Voraussetzung ist, dass zuvor tatsächlich ein Streit oder eine Ungewissheit bestand. Der Abschluss eines bloßen Vertrages ohne streitentscheidende Wirkung genügt nicht. Ebenso reicht ein vollständiges Anerkenntnis oder ein einseitiger Verzicht für sich genommen nicht aus. Erforderlich bleibt die Mitwirkung des Rechtsanwalts, die auf die Streitbeilegung gerichtet sein muss.
Eine Erledigung im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn eine gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache ganz oder teilweise entbehrlich wird. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der Beklagte während des Verfahrens den begehrten Anspruch erfüllt oder ein anderes erledigendes Ereignis eintritt. Auch hier entsteht die Gebühr nur, wenn der Anwalt qualifiziert mitgewirkt hat. Bloße Prozesshandlungen wie die Klageerhebung oder die einfache Begründung reichen nicht aus. Das BSG fordert eine besondere, erledigungsgerichtete Tätigkeit, die über die allgemeine Prozessführung hinausgeht.
Teil-Einigung und Teil-Erledigung
Erfasst eine Einigung oder Erledigung nur einen Teil des Streitgegenstandes, ist nach der Anmerkung zu Nr. 1006 der entsprechende Anteil der Verfahrensgebühr zu schätzen. Maßgeblich sind die Kriterien des § 14 RVG: Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit, Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten sowie das Haftungsrisiko. Der Anwalt sollte die Herleitung der Quote nachvollziehbar dokumentieren, um spätere Diskussionen mit der Gegenseite oder der Landeskasse zu vermeiden.
Mehrere Auftraggeber
Ein Zuschlag nach Nr. 1008 VV-RVG ist bei Nr. 1006 ausdrücklich ausgeschlossen. Der Mehrvertretungszuschlag wirkt sich zwar auf die zugrunde liegende Verfahrensgebühr aus, erhöht jedoch nicht die Einigungs- oder Erledigungsgebühr. Dies ist konsequent, da es sich bei Nr. 1006 um eine akzessorische Zusatzgebühr handelt, die ausschließlich an die konkrete Verfahrensgebühr anknüpft.
Praxis-Hinweise
In der Praxis ist die Einigungs- oder Erledigungsgebühr im gerichtlichen Verfahren von erheblicher Bedeutung, da viele Verfahren nicht mit einem streitigen Urteil enden, sondern durch Vergleich oder Anerkenntnis erledigt werden. Für den Anwalt empfiehlt es sich, die eigene Mitwirkung genau zu dokumentieren, etwa durch Schriftwechsel, Protokolle oder eigene Vergleichsvorschläge. Bei Teilregelungen sollte eine Quote angegeben werden (z. B. „Einigung über 40 % des Streitgegenstandes“). Damit lässt sich gegenüber Gericht und Kostenschuldner die Angemessenheit der Gebühr belegen.
3. Beitragsliste
In den folgenden Beiträgen habe ich Nr. 1005 VV-RVG angesprochen:
Rechtsanwaltsgebühren im Sozialrecht
Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren im Sozialrecht nach RVG. Dieser Leitfaden erklärt Geschäftsgebühren, Verfahrensgebühren & Besonderheiten für Mandanten und Kollegen.
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