In sozialrechtlichen Angelegenheiten entstehen bei Beauftragung eines Rechtsanwaltes Gebühren gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (im Folgenden: RVG) für das vorgerichtliche und ggf. für das gerichtliche Verfahren gemäß den folgenden Ausführungen.
Gebührenerhöhung seit 1. Juni 2025:
Alle Beträge wurden aktualisiert.
Grundsatz: Die neuen Sätze gelten für Angelegenheiten, die ab dem 1. Juni 2025 begonnen wurden (maßgeblich ist der Beginn der Angelegenheit i.S.d. RVG).
I. Vorgerichtliche Tätigkeit
Im vorgerichtlichen Verfahren können im Wesentlichen Geschäfts- und Einigungs- oder Erledigungsgebühren anfallen.
Es kommt aber auch die Erhebung einer Beratungsgebühr gemäß § 34 RVG in Betracht.
1. Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG
Nr. 2302 Nr. 1 VV-RVG ist der zentrale Gebührentatbestand für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren im vorgerichtlichen sozialrechtlichen Verfahren:
| 2302 |
| 65,00 bis 837,00 € |
Nr. 2302 VV-RVG ist nur anwendbar, wenn Betragsrahmengebühren entstehen.
Meist entstehen in sozialrechtlichen Angelegenheiten Betragsrahmengebühren. Im sozialrechtlichen Verfahren werden nur dann Wertgebühren gemäß § 2 RVG nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehört, § 3 Abs. 1 S. 2 RVG. Weitere Ausnahmen von der Gerichtkostenfreiheit sind in § 192 SGG, § 197 a SGG und § 202 SGG geregelt.
Vertiefend zur Betragsrahmengebühr:
a) Geschäftsgebühr im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
Die Gebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG kann sowohl im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren (Antrags-, Anhörungs-, Nachprüfungsverfahren,…) sowie auch zusätzlich im Widerspruchsverfahren entstehen, denn es handelt sich bei dem Ausgangsverfahren bis zum Erlass des Ausgangsbescheides und dem Widerspruchsverfahren bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 17 Nr. 1 a RVG:
- Verschiedene Angelegenheiten sind
- …
- 1a. jeweils das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren (Vorverfahren, Einspruchsverfahren, Beschwerdeverfahren, Abhilfeverfahren), das Verfahren über die Beschwerde und die weitere Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung, das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie über einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte Dritter und ein gerichtliches Verfahren,
- …
Entstehen zwei Gebühren im vorgerichtlichen Verfahren, so soll allerdings die in dem Verwaltungsverfahren entstandene Gebühr auf eine weitere Tätigkeit in dem Nachprüfungsverfahren/ Widerspruchsverfahren zur Hälfte angerechnet werden, Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 S. 1 VV-RVG (bitte beachten Sie, dass die „Anrechnung“ im Sozialrecht erst durch die Reform zum 1. August 2013 eingeführt wurde).
Beispiel:
Mandant M lässt sich im Verwaltungsverfahren in einer Angelegenheit zu einer Rückforderung/-erstattung anwaltlich durch Rechtsanwalt R gegenüber der Behörde B vertreten. Es ergeht schließlich ein Bescheid.R legt Widerspruch ein.
Es entstehen 2 Gebühren gemäß VV-Nr. 2302. Die Geschäftsgebühr für das Verwaltungsverfahren ist zur Hälfte anzurechnen. Insgesamt erhält der R 1 ½ Geschäftsgebühren gemäß Nr. 2302 VV-RVG.
Die entsprechende Kostenberechnung würde wie folgt lauten:
1. Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 391,00 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € 2. Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 391,00 € Anrechnung 1/2 Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG – 195,50 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 626,50 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 119,04 € Summe: 745,54 €
b) Mittelgebühr
Die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG sieht die Abrechnung innerhalb eines Betragsrahmens von 65,00 € bis 837,00 € vor.
Die Mittelgebühr beträgt 451,00 € (65,00 € + 837,00 € / 2). Dies gilt sowohl für die Rechtsanwaltsgebühren im sozialrechtlichen Verwaltungs- als auch im Nachprüfungs-/Widerspruchsverfahren.
Wird eine Mittelgebühr geltend gemacht, müssen aber die nachfolgenden Ausführungen zur Kappungsgrenze beachtet werden. Nr. 2302 letzter Satz lautet:
Eine Gebühr von mehr als 391,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
Vertiefend zur Mittelgebühr:
Beispiel:
Mandant M lässt sich im Widerspruchsverfahren durch Rechtsanwalt R gegenüber der Behörde B vertreten. Es ergeht ein Bescheid. R legt Widerspruch ein.Die entsprechende Kostenberechnung würde wie folgt lauten:
Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 391,00 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 411,00 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 78,09 € Summe: 489,09 €
c) Kappungsgrenze
Die Anmerkung in dem Gebührentatbestand Nr. 2302 VV-RVG „Eine Gebühr von mehr als 391,00 € kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war“, wird häufig übersehen. Es handelt sich um eine Kappungsgrenze.
Eine Geschäftsgebühr von mehr als 391,00 € soll nur geltend gemacht werden, wenn es sich um eine „umfangreiche“ oder „schwierige“ Tätigkeit handelt.
d) „umfangreiche“ und/oder „schwierige“ Tätigkeit
Anhaltspunkte für eine „umfangreiche“ oder schwierige Tätigkeit können sich z. B. aus einer erforderlichen Einsicht in die Verwaltungsakten, dem sonstigen Rechercheumfang, der Anzahl und dem Umfang der gefertigten Schriftsätze, dem sonstigen Zeitaufwand und nicht zuletzt der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber ergeben.
Die Hinweise in VV-Nr. 2302 auf „umfangreiche“ oder „schwierige“ Tätigkeiten unterscheiden sich von den Regelungen in § 14 RVG zur Berechnung der Betragsrahmengebühren. Gemäß § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Sachlich dürften allerdings auch bei der Prüfung, ob eine umfangreiche oder schwierige Tätigkeit vorliegt, die Überlegungen zu § 14 RVG sinngemäß anzustellen sein.
2. Einigung und Erledigung
Im Falle einer Einigung oder Erledigung können gemäß Nr. 1005 VV-RVG Einigungs- bzw. Erledigungsgebühren entstehen.
Einigungs- und Erledigungsgebühren entstehen zusätzlich neben der Geschäftsgebühr.
Einigungs- und Erledigungsgebühren entstehen in Höhe der Geschäftsgebühr, vgl. Nr. 1005 Abs. 1 S. 3 VV-RVG.
II. Gerichtliche Tätigkeit
Im gerichtlichen Verfahren können Verfahrens-, Termins-, Einigungs- und Erledigungsgebühren entstehen.
1. Verfahrensgebühr
Für die gerichtliche Vertretung im sozialrechtlichen Verfahren entstehen Rechtsanwaltsgebühren gemäß Nr. 3102 VV-RVG. Der entsprechende Gebührentatbestand lautet:
| 3102 | Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). | 65,00 bis 719,00 € |
Der Rahmen der Verfahrensgebühr reicht von 65,00 € bis 719,00 €. Die Mittelgebühr beträgt 392,00 € ( (65,00 € + 719,00 €) / 2 ).
Anders als bei der Geschäftsgebühr ist jetzt eine Kappungsgrenze nicht mehr vorgesehen.
War der Rechtsanwalt bereits im Verwaltungsverfahren bzw. im Widerspruchsverfahren tätig, so sieht der Gesetzgeber nach der Reform im Jahr 2013 in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 und 2 VV-RVG eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vor:
Beispiel:
M lässt sich im Widerspruchsverfahren anwaltlich durch Rechtsanwalt R gegenüber der Behörde B vertreten. Gegen den ablehnenden Widerspruch erhebt R Klage vor dem Sozialgericht.
Es entsteht 1 Gebühr gemäß VV-Nr. 2302 in dem Widerspruchsverfahren. Die Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren ist zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Insgesamt erhält R also 1 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG und 1 Verfahrensgebühr gemäß 3102 abzüglich ½ Geschäftsgebühr.
Die entsprechende Kostenberechnung würde wie folgt lauten:
Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 391,00 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 392,00 € abzüglich 1/2 Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG – 195,50 € Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 627,50 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 119,23 € Summe: 746,73 €
2. Terminsgebühr
Neben der Verfahrensgebühr entsteht im sozialgerichtlichen Verfahren zumeist auch noch eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV-RVG:
| 3106 | Terminsgebühr in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Die Gebühr entsteht auch, wenn In den Fällen des Satzes 1 beträgt die Gebühr 90% der in derselben Angelegenheit dem Rechtsanwalt zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nr. 1008. | 65,00 bis 665,00 € |
Die Mittelgebühr beträgt also 365,00 € (65,00 € + 665,00 € / 2).
Zu beachten ist, dass ein gerichtlicher Termin gemäß Nr. 3106 S. 1 Ziffern 1. bis 3. für die Entstehung der Terminsgebühr nicht zwingend Voraussetzung ist. Wird eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt, verringert sich die Gebühr um 10 %, Nr. 3106 S. 2 VV-RVG.
Beispiel:
Eine Kostenberechnung bei Entstehung einer Verfahrens- und Terminsgebühr (ohne Termin) gemäß VV-Nr. 3106 S. 1 Nrn. 1 bis 3 würde wie folgt lauten:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 392,00 € Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 352,80 €* Post- und Telekom.-pauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 € Zwischensumme: 764,80 € Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19,0%) 145,31 € Summe: 910,11 € (* = die 352,80 € errechnen sich gemäß VV-Nr. 3106 aus 90 % der Verfahrensgebühr, vgl. VV-Nr. 3106 letzter Satz).
3. Einigung und Erledigung
Schließlich können im Falle einer gerichtlichen Einigung oder Erledigung gemäß Nr. 1006 VV-RVG Einigungsgebühren bzw. Erledigungsgebühren entstehen.
Einigungs- und Erledigungsgebühren entstehen in Höhe der Verfahrensgebühr, Nr. 1006 Abs. 1 S. 2 VV-RVG zusätzlich zu der Verfahrensgebühr.
III. einstweiliger Rechtsschutz, Untätigkeitsklage, …
In den vorbenannten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der Untätigkeitsklage und der Rechtsmittelverfahren greifen folgende „Sonderregelungen“:
1. einstweiliger Rechtsschutz
Gemäß § 17 Nr. 4 RVG sind Hauptsacheverfahren und Eilverfahren verschiedene Angelegenheiten:
- Verschiedene Angelegenheiten sind
- …
- 4. das Verfahren in der Hauptsache und ein Verfahren über
- a) die Anordnung eines Arrests,
- b) den Erlass einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung,
In den Eilverfahren können also grundsätzlich die oben für das gerichtliche Verfahren unter 2. beschriebenen Gebühren entstehen.
Vertiefend zum einstweilige Rechtsschutz im Sozialrecht:
- Rechtsanwaltsgebühren im sozialrechtlichen Eilverfahren: Mittelgebühr & Nr. 3102 VV RVG
Sozialrechtliches Eilverfahren: Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG, getrennte Angelegenheit (§ 17 RVG), Mittelgebühr nach § 14 RVG als Ausgangspunkt.
... | mehr - Eilrechtsschutz im Sozialrecht – §§ 86a/86b SGG einfach erklärt
Wann greift die aufschiebende Wirkung? Wann beantrage ich die einstweilige Anordnung? Fristen, Voraussetzungen & Praxis im Überblick
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2. Untätigkeitsklage
Nach § 88 SGG gilt die Untätigkeitsklage häufig als unterdurchschnittlich bedeutsam; angesetzt wird regelmäßig eine niedrige Betragsrahmengebühr (oft doppelte Mindestgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG).
In Nordrhein-Westfalen wird in der Regel das zweifache der Mindestgebühr gemäß Nr. 3102 VV-RVG (s. o. 2 x Mindestgebühr in Höhe von 65,00 € = 130,00 €) festgesetzt (vgl. dazu ausführlich LSG NRW, 05.05.2008 – L 19 B 24/08 AS, zu II., mit weiteren Hinweisen):
[30] … In der Rechtsprechung zur Bestimmung der angemessenen Betragsrahmengebühr bei einer Untätigkeitsklage findet sich der Ansatz der doppelten Mindestgebühr (80,- EUR , LSG Berlin-Brandenburg, 18.06.2007 – L 18 B 732/07 AS), der dreifachen Mindestgebühr (120,- EUR, SG Hamburg, 05.07.2006 – S 58 AS 329/05), der vierfachen Mindestgebühr (160,- EUR, LSG Sachsen, Beschl. v. 2.07.2004, L 2 B 73/03 AL-PKH), der halben Mittelgebühr (125,- EUR, SG Marburg, 14.02.2008 – S 6 KR 72/07), von 60% der Mittelgebühr (150,- EUR, SG Hamburg, 21.03.2007 – S 61 AS 1905/06 oder von 75% der Mittelgebühr (187,50 EUR, SG Dortmund, Beschluss vom 15.05.2006, S 6 KN 2/05). Zur Überzeugung des Senats ist bei einer durchschnittlichen Untätigkeitsklage nach § 88 SGG der Ansatz der doppelten Mindestgebühr, d.h. von 80,- EUR, gerechtfertigt. Bei einer Untätigkeitsklage, die sich wie im vorliegenden Fall nach Klageerhebung in kurzer Zeit durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes unstreitig erledigt, handelt es sich im Vergleich zu den übrigen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen um ein deutlich unterdurchschnittliches Verfahren.
[31] …
Eine Anrechnung bereits entstandener Gebühren findet allerdings nicht statt. Ob die niedrige Vergütung angemessen ist, ist meines Erachtens höchst zweifelhaft. Dadurch werden noch nicht einmal die Kosten des Klageschriftsatzes gedeckt.
Es ist allerdings zu beachten, dass bei der Untätigkeitsklage neben der Verfahrensgebühr auch noch eine Erledigungsgebühr anfallen kann. Eine Erledigungsgebühr fällt allerdings nur in Ausnahmefällen an (vgl. LSG NRW, 18.03.2009 – L 7 B 214/08 AS):
… Denn der Anfall einer Erledigungsgebühr erfordert ein qualifiziertes Tätigwerden des Rechtsanwaltes, das auf den Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung abzielt. Als Mitwirkungshandlung reichen weder die Erhebung noch die Begründung der Untätigkeitsklage, die Stellungnahme auf eine gerichtliche Entscheidung, noch die bloße Erledigungserklärung aus (ausführlich LSG NRW , Beschluss vom 05.05.2008, L 19 B 24/08 AS; vgl. ferner zuletzt OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18.11.2008, 2 O 61/07, […]; beide m.w.N.). Diese Verfahrenshandlungen werden durch die Tätigkeitsgebühr – hier die Verfahrensgebühr – abgegolten (vgl. LSG NRW a.a.O.).
Vertiefend zur Untätigkeitsklage und den Kosten (zu 3.):
3. Rechtsmittelverfahren
Die Gebührentatbestände sehen in den Nr. 3204 VV-RVG, Nr. 3205 VV-RVG, Nr. 3212 VV-RVG und Nr. 3213 VV-RVG für Verfahren der Berufung und Revision vor den Landessozialgerichten und dem Bundessozialgericht also höhere Verfahrens- und Terminsgebühren als vor den Sozialgerichten vor.
Häufige Fragen: RVG im Sozialrecht
Wie hoch ist die Mittelgebühr nach Nr. 2302 VV-RVG?
451,00 € ( (65,00 € + 837,00 €) / 2 ). Mehr als 391,00 € nur bei umfangreicher oder schwieriger Tätigkeit.
Wird die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet?
Ja, nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG meist zur Hälfte.
Entsteht eine Terminsgebühr ohne mündliche Verhandlung?
Ja, in den Fällen der Nr. 3106 S. 1 Nrn. 1–3; dann beträgt sie 90 % der Verfahrensgebühr und reduziert sich ohne Termin um weitere 10 %.
IV. Weiterführende Beiträge
weiterführende Beiträge zu Rechtsanwaltsgebühren im Sozialrecht:
§ 3 RVG · § 14 RVG · § 2 RVG · § 13 RVG · § 183 SGG · Nr. 2302 VV-RVG · Nr. 1005 VV-RVG · Nr. 3102 VV-RVG · Nr. 3106 VV-RVG · Nr. 1006 VV-RVG · Nr. 1008 VV-RVG · Nr. 7002 VV-RVG · Nr. 7008 VV-RVG



Fr. Haas says
Hallo! Sie berechnen die Terminsgebühr als Mittelgebühr mit 280 €, rechnen dann im folgenden Beispiel aber mit 270 €. Das Ergebnis stimmt zwar, aber der Zwischenschritt, nämlich 90 % von 300 € auszurechnen, fehlt hier. Auch wenn der Gesetzestext angegeben wurde, sollte man schon erklären, was man da berechnet hat.
Manfred Schneiders says
zu II gerichtliche Tätigkeit
3. Einigung und Erledigung
Aufhebung des angefochtenen Bescheides vor einer mündlichen Verhandlung:
beim zuständigen Sozialgericht , Bundesagentur: „Nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtslage hebe ich „aufgrund Ihrer Klage vom … den Bescheid vom …. hiermit auf“
Warum nicht Erledigungsgebühr?
Fällt eine Erledigungsgebühr mach 1006, 1002, Nr. 1005 an ?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Herr Schneiders,
handelt es sich evtl. um ein Anerkenntnis gemäß Nr. 3106 Nr. 3 VV-RVG?
An eine Einigung bzw. Erledigungsgebühr werden sehr hohe Ansprüche gestellt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Anonym says
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe in Bezug auf eine Zahlungsaufforderung der Krankenkasse, die meines Erachtens nicht gerechtfertigt ist, einen Anwalt konsultiert. Er verfasste einen Widerspruch gegenüber der Krankenkasse. Nun erhielt ich folgende Rechnung und kann dem nicht ganz nachvollziehen.
Geschäftsgebühr für Tätigkeit im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren
§ 14 RVG Nr. 2302 Satz 1 VV RVG 768,00 Euro + 20,00 Euro Pauschale + 19% Umsatzsteuer = 937,72 Euro.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo anonym,
ohne eine weitere Erklärung der Rechnung durch den Anwalt ist diese auch für mich nicht wirklich verständlich:
Der Anwalt kann für seine Tätigkeit im Widerspruchsverfahren eine Betragsrahmengebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG – Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten
Geschäftsgebühr in
1. sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG),
2. Verfahren …
(Link: zum Text mit kurzer Kommentierung hier im Internetauftritt)Nr. 2302 VV-RVG zwischen 60,00 € und 768,00 € geltend machen. Bei einer Betragsrahmengebühr kann der Anwalt nach
1. Umfang der Bearbeitung
2. Schwierigkeit der Bearbeitung
3. Bedeutung für den Auftraggeber
4. wirtschaftliche Verhältnisse bzw. Einkommensverhältnisse des Auftraggebers
…
festlegen, ob er nur die Mindestgebühr oder die Höchstgebühr geltend macht. Dabei darf er allerdings nicht willkürlich verfahren, sondern muss sich an den oben genannten Kriterien orientieren (vgl. dazu auch den Beitrag Betragsrahmengebühren im Sozialrecht
Die maßgeblichen Vorschriften zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren in sozialrechtlichen Verfahren enthalten § 3 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (im Folgenden: RVG) in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (im Folgenden: VV) und § 14 RVG. …
(Link: zum Beitrag hier im Internetauftritt)Betragsrahmengebühren im Sozialrecht zu II.).
Eine Gebühr von mehr als 359,00 € kann der Anwalt nur fordern, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, Nr. 2302 VV-RVG – Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten
…
Eine Gebühr von mehr als 359,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
(Link: zum Text mit kurzer Kommentierung hier im Internetauftritt)Nr. 2302 S. 2 VV-RVG.
Grüße
Sönke Nippel
Abelardo VAZQUEZ CONDE says
Bin spanischer Anwalt und habe spanischen Klienten gegenüber einer deutschen Pflegekasse wegen Durchführung der Mitgliedschaft vertreten: Antrag (abgelehnt) Widerspruch (abgewiesen) Feststellungsklage, mehrere Schriftsätze, Beklagte gibt vor Gericht Anerkenntnis ab. Ich erkläre Klage als erledigt. Können Sie mir Kostenabrechnung nach BRAGO bzw. VV RVG vorschlagen? Keine Ahnung!
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo,
wie wäre es damit?
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Luft says
Vielen Dank für den interessanten Beitrag.
Wie verhält es sich mit den Anwaltsgebühren bei einer Streitigkeit über die Erstattungs-/ Leistungspflicht einer privaten Krankenkasse. Diese Verfahren sind wohl vor den ordentlichen Gerichten zu führen. Wird hier trotzdem eine Betragsrahmengebühr angesetzt, weil der Versicherte zu dem von § 183 SGG privilegiertem Personenkreis gehört?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Luft,
nein, es wird keine Betragsrahmengebühr angesetzt. Vor den ordentlichen Gerichten wird eine Wertgebühr anhand des Streitwertes bestimmt.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Salli1 says
Ich bin am 06.09.2022 geschieden worden.Vor Gericht einigte ich mich mit meiner Frau über Zugewinn für mein Haus und nachehelichen Unterhalt. Das Gericht setzte den Streitwert auf 71.001,50€ fest. Nun fordert mein Anwalt 6133,86€.
Verfahrensgebühr 1907,10€
Terminsgebühr 1760,40€
Erledigungsgebühr 1467,00€
Post +Tele. 20,00€
Umsatzsteuer 979,36 €
Endsumme 6133,86 €
Ich bin der Erledigungsgebühr nicht einverstanden. Ist sie rechtens?
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Salli,
… es handelt sich nicht um eine sozialrechtliche Fragestellung …
… ob im Familienrecht die Einigung über einen Teilbereich aus dem Scheidungsverbund (hier Zugewinn) eine Abrechnung der Einigung auch für andere Teilbereiche rechtfertigt, kann ich nicht beurteilen. … ich kann auch nicht einschätzen, ob hier überhaupt die Einigungsgebühr über den gesamten Streitwert abgerechnet wurde …
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt
Solicitore says
Hallo Herr Nippel,
Sie haben eine schöne Übersicht über die Gebührentatbestände im Sozialrecht verfasst. Allerdings ist aufgefallen, dass eine Verfahrensmöglichkeit nicht bewertet wurde. So neigen die Sozialgerichte nämlich häufig dazu, Verfahren zu verbinden. Da grundsätzlich bis zur Verbindung zwei (oder mehr) Angelegenheiten vorliegen, ab der Verbindung aber nur noch eines, gibt es hier Besonderheiten, die ggf. noch ergänzt werden könnten?
Viele Grüße
Angela Hennig says
Sehr geehrter Herr Nippel,
als Vorstandsmitglied des Vereins KE!N Einzelfall e.V. (derzeit noch in Gründung), Opferhilfe für soziale Gerechtigkeit verfasse ich grade eine Stellungnahme für „die da oben“, wie unattraktiv für Anwältinnen und Anwälte die Vertretung von Opfern von Gewalttaten im Opferentschädigungsverfahren ist.
Viele Anwälte lehnen es ab, die Opfer im OEG/ SER zu vertreten, da diese Verfahren häufig langwierig, arbeitsaufwändig und tendenziell von wenig Erfolg gekrönt sind.
Können Sie mich bei der Aufstellung unterstützen, was ein Anwalt max. in Rechnung stellen kann für Erstberatung – Widerspruch mit Akteneinsicht – Klage?
Und können Sie mir die Pauschalsätze nennen, wenn die Mandanten einen Beratungsschein vom Amtsgericht oder Weißen Ring haben im Widerspruchsverfahren?
Und wie es sich verhält, wenn im Klageverfahren eine Rechtsschutzversicherung leisten muss oder der Mandant nur Prozesskostenhilfe bekommt?
Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Unterstützung.
Rechtsanwalt S. Nippel says
Hallo Frau Hennig,
die Fragestellungen/Antworten sind relativ komplex. Kurze Antworten:
Opferentschädigung dürfte schon deshalb ein schwieriges Thema sein, weil der Opferschutz eigentlich erst greift, wenn alles andere nicht gegriffen hat.
Erstberatung:
Die Erstberatung für Verbrauchermandate ist im Wesentlichen in § 34 Beratung, Gutachten und Mediation
(1) … . Ist im Fall des Satzes 2 der Auftraggeber Verbraucher, beträgt die Gebühr für die Beratung oder für die Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens jeweils höchstens 250 Euro; § 14 Absatz 1 gilt entsprechend; für ein erstes Beratungsgespräch beträgt die Gebühr jedoch höchstens 190 Euro.
(2) …
(Link: zum Gesetzestext hier im Internetauftritt)§ 34 RVG geregelt – wird keine Gebührenvereinbarung getroffen, ist die beratende und gutachtliche Tätigkeit auf 250,00 € begrenzt. Die Erstberatung beträgt maximal 190,00 €.
Widerspruch:
Bei einem Widerspruch mit Akteneinsicht dürfte regelmäßig die Erhebung einer Gebühr gemäß Nr. 2302 VV-RVG in Höhe von 359,00 € zzgl. 20,00 € Auslagenpauschale zzgl. Umsatzsteuer ) insgesamt also 451,01 € gerechtfertigt sein.
Beratungshilfe:
Bei Beratungshilfe kann der Anwalt eine Beratungsgebühr gemäß Nr. 2501 VV-RVG in Höhe von 38,50 € oder eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV-RVG in Höhe von 93,50 € zzgl. Umsatzsteuer und neben der Geschäftsgebühr eine Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € sowie die Schutzgebühr in Höhe von 15 € gemäß Nr. 2500 RVG geltend machen (insgesamt als 60,82 € bei einer Beratung und 152,91 € bei einer Geschäftsführung). Für den Anwalt „interessant“ und finanziell lukrativ wird die Angelegenheit allerdings, wenn eine Kostenerstattung z. B. im Widerspruchsverfahren erreicht werden kann. Dann können die Wahlanwaltsgebühren geltend gemacht werden.
Klageverfahren:
Im Klageverfahre gelten oben die Ausführungen zu II.
Grüße
Sönke Nippel
Rechtsanwalt