Nr. 2302 VV-RVG – Geschäftsgebühr
(6 Beiträge zum Stichwort "Nr. 2302 VV-RVG – Geschäftsgebühr")
1. Gesetzestext (Stand: 30.09.2025)
| 2302 |
| 65,00 bis 837,00 € |
👉 enthalten in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG
2. Kommentierung
a) Einordnung
Die Geschäftsgebühr vergütet das Betreiben des Geschäfts einschließlich Information und Mitwirkung bei der Vertragsgestaltung im vorgerichtlichen Bereich (Vorbemerkung 2.3 VV-RVG).
Sie entsteht somit für die außergerichtliche Vertretung gegenüber Behörden oder Dritten und grenzt sich von der bloßen Beratung ab, die keine Außenwirkung entfaltet.
Eigenständige Angelegenheiten i. S. d. § 17 RVG:
- Das Verwaltungsverfahren und das (der Nachprüfung dienende) weitere Verwaltungsverfahren sind jeweils eigene Angelegenheiten (Nr. 1a);
- das gerichtliche Verfahren ist eigenständig (Nr. 7).
War der Rechtsanwalt bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren tätig, kommt eine teilweise Anrechnung der dort entstandenen Gebühr nach § 14 RVG in Betracht.
b) Bemessung (§ 14 RVG)
Ausgangspunkt ist die Mittelgebühr. Abweichungen nach oben oder unten erfordern eine kurze, fallbezogene Begründung zu Umfang, Schwierigkeit, Bedeutung, wirtschaftlichen Verhältnissen und Haftungsrisiko (§ 14 RVG). Die rechnerische Mittelgebühr beträgt 451,00 € (65,00 € + 837,00 € / 2). Mehr als 391,00 € nur bei entsprechender Begründung – zur Kappung siehe unten.
c) Kappungsgrenze
Der letzte Satz der Nr. 2302 begrenzt die Möglichkeit, über 391,00 € hinauszugehen: erforderlich ist eine umfangreiche oder schwierige Tätigkeit. Typische Anker:
- außergewöhnlicher Aktenumfang (zahlreiche Verwaltungs- oder Medizinakten, viele Anlagen),
- komplexe Rechtsfragen (z. B. Verzahnung mehrerer Leistungssysteme, atypische Sachverhalte),
- hohe Termindichte / enger zeitlicher Rahmen / erheblicher Abstimmungsbedarf.
Die Begrenzung betrifft ausschließlich Betragsrahmengebühren und soll eine übermäßige Vergütung bei Routineangelegenheiten verhindern.
d) Anrechnung & Systematik
Die Geschäftsgebühr wird auf eine spätere Verfahrensgebühr (Klage) zur Hälfte angerechnet; bei Betragsrahmengebühren ist der Anrechnungsbetrag auf 207,00 € gedeckelt. Eine Anrechnung erfolgt regelmäßig nicht auf Eilverfahren oder Untätigkeitsklage (Sonderkonstellationen beachten). War der Rechtsanwalt bereits im zum Verwaltungsakt führenden Verwaltungsverfahren tätig, ist eine teilweise Anrechnung der zuvor entstandenen Gebühren vorgesehen.
Widerspruch gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid; umfangreiche Leistungsakte, mehrere Berechnungszeiträume, parallele Abstimmung mit Jobcenter und Krankenkasse. Dokumentiere knapp: Aktenumfang, rechtliche Komplexität (z. B. Anrechnung Einkommen / Krankenversicherung), enge Fristen. → Begründete Überschreitung von 391,00 € plausibel.
e) Praxis
- Kurz dokumentieren: Warum Mittelgebühr / Abweichung? Kappungsvoraussetzungen (Umfang / Schwierigkeit) stichwortartig festhalten.
- Mehrere Auftraggeber: Erhöhung nach Nr. 1008 VV-RVG gesondert prüfen.
- Kostenerstattung: Im erfolgreichen Widerspruch Kosten der notwendigen Hinzuziehung regelmäßig nach § 63 SGB X.
- Abgrenzung Beratung / Vertretung: Außenwirkung spricht für eine Geschäftsgebühr; reine Beratung ohne Außenwirkung i. d. R. nicht.
Fall 1: Fristsicherungsschreiben – Der Anwalt legt fristwahrend Widerspruch ein, prüft die Sach- und Rechtslage jedoch nur oberflächlich, ohne ergänzenden Schriftwechsel. Umfang und Schwierigkeit sind gering. Eine Gebühr im unteren Drittel (ca. 220–260 €) ist angemessen.
Fall 2: Rückforderung und Aufhebungsbescheid – Umfangreiche Verwaltungsakte (mehrere Berechnungsmonate), parallele Prüfung von Einkommen und Unterkunftskosten. Der Anwalt wertet diverse Berechnungsbögen aus, erstellt Gegendarstellung und rechtliche Begründung. Begründet höhere Gebühr (390–450 €) oberhalb der Mittelgebühr.
Fall 3: Ehepaar im gemeinsamen Widerspruchsverfahren – Beide Eheleute beauftragen denselben Anwalt gegen denselben Bescheid (Leistungsberechnung). Die Geschäftsgebühr erhöht sich nach Nr. 1008 VV-RVG um 0,3 Gebührenpunkte. Eine nachvollziehbare kurze Dokumentation der Mehrarbeit genügt.
Fazit: Die Nr. 2302 VV-RVG bildet die typische Vergütung im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren ab.
Eine sorgfältige Begründung nach § 14 RVG sichert die Durchsetzbarkeit der Mittelgebühr und verhindert Kürzungen durch die Kostenträger.
Häufige Fragen
Wofür entsteht die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV-RVG?
Sie vergütet das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information sowie die Mitwirkung bei der Vertragsgestaltung im vorgerichtlichen Bereich, insbesondere bei der Vertretung gegenüber Behörden oder Dritten.
Wie hoch ist die Mittelgebühr und was bedeutet die Kappungsgrenze?
Die Mittelgebühr beträgt 451,00 €. Eine Gebühr von mehr als 391,00 € darf nur verlangt werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war – dies ist die sogenannte Kappungsgrenze.
Wie wird die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet?
Nach Vorbemerkung 3 VV-RVG wird die Geschäftsgebühr zur Hälfte, bei Betragsrahmengebühren höchstens mit 207,00 €, auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt in der Regel nicht bei Eilverfahren oder Untätigkeitsklagen.
Weiterführend:
Nr. 3102 VV-RVG · Nr. 3106 VV-RVG · Nr. 1008 VV-RVG · § 14 RVG · § 17 RVG · § 63 SGB X
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